[Dieser Text ist eine Vorabpublikation eines Abschnitts aus dem im März 2017 im C.H. Beck Verlag erscheinenden Buch: Weil ich weiß, was ich will. Mit Lebensleitlinien klar auf Kurs.]
Wir alle haben Vorstellungen darüber, was für uns zu einem guten, angenehmen und zufriedenen Leben gehört. Dinge wie eine glückliche Partnerschaft, Erfolg im Beruf, ausreichend Geld, Anerkennung, gute Freunde, genug Zeit für die Entfaltung eigener Interessen und Ähnliches mehr würden viele Leute angeben, wenn man sie danach fragt, was sie in ihrem Leben anstreben. Dies zeigt sich auch schon in ganz alltäglichem Handeln; denn mit dem, was wir tun, versuchen wir natürlich mehr oder weniger erfolgreich, unsere Chance auf ein gutes, angenehmes und zufriedenes Leben zu erhöhen. So arbeiten wir zum Beispiel unter anderem deswegen, um Geld, Erfolg und Anerkennung zu bekommen. Wir kümmern uns um unsere persönlichen Interessen und Hobbys, weil wir daraus Energie und Zufriedenheit schöpfen. In gewisser Hinsicht ist das, was unser Leben leitet, immer schon in unserem Tun präsent, wenn auch keineswegs immer bewusst. Gleichzeitig ist es aber durchaus eine Herausforderung, genau zu wissen, was man eigentlich möchte.
Was uns den Blick auf das Wesentliche verstellt
Es sind häufig vor allem vier folgenreiche Faktoren, die es uns erschweren, das, was wir wirklich wollen, klar zu erkennen bzw. konsequent in unserem Handeln zu verfolgen:
- die Tendenz, alles zugleich zu wollen,
- die Identifikation mit Zielen, die nicht wirklich unsere sind,
- Annahmen über uns und die Welt, die unsere Wirksamkeit schwächen,
- eine zunehmende Einseitigkeit in unserem Denken und Handeln.
1. Die Tendenz, alles zugleich zu wollen
Man hat einen hoch verantwortungsvollen und sinnstiftenden Beruf, der einem auch sehr viel Geld und Anerkennung einbringt und gleichzeitig jede Menge Luft und Zeit lässt für Partnerschaft, Familie, Freunde sowie für die intensive Entfaltung persönlicher Interessen. Man ist äußerst erfolgreich und zugleich völlig relaxed, bei allen beliebt und absolut authentisch. Man hat eine wunderbar beständige Partnerschaft und gleichzeitig ein aufregendes und wildes Sexleben. Man erfreut sich allerbester Gesundheit und versäumt keinen Genuss. Man ist in seinem Handeln total souverän und weise und körperlich absolut frisch und knackig. Es wäre wirklich klasse, all dies und noch viel mehr zugleich haben und sein zu können. Aber egal wie schön es auch wäre: so funktioniert es im Leben leider nicht.
2. Die Identifikation mit Zielen, die nicht wirklich unsere sind
Will man das allerneueste Smartphone von einem der gerade am meisten angesagten Hersteller, weil man es wirklich braucht oder weil einem Werbung und vielleicht auch Freunde und Kollegen signalisieren, dass man nur dann besonders cool ist, wenn man es jetzt schon hat? Geht man den eingeschlagenen Karriereweg weiter, obwohl er sich offensichtlich auf die eigene Lebensbalance und Gesundheit ziemlich ungünstig auswirkt, weil man diesen Weg wirklich so gehen will oder weil man sich Erwartungen von anderen, z.B. Chefs, Ehepartnern, Eltern zu Eigen gemacht hat? Vieles wollen wir - oder genauer gesagt, glauben wir zu wollen -, weil wir uns mit Zielen identifiziert haben, die in Wirklichkeit nicht aus uns heraus kommen, sondern aus unserem Umfeld herrühren; Ziele, die uns bei Lichte betrachtet weder gut tun noch glücklich machen und für die wir womöglich langfristig einen sehr hohen Preis bezahlen. Ich nenne diese uns quasi ins Nest gelegten fremden Eier, die wir dann aber sorgsam ausbrüten, als wären es unsere eigenen, Kuckucksei-Identifikationen.
3. Annahmen über uns und die Welt, die unsere Wirksamkeit schwächen
Nicht wenige Menschen haben im Laufe ihrer Kindheit und Sozialisation Grundannahmen über sich entwickelt, die einen klaren Blick darauf, was sie wirklich wollen und wie sie das erreichen können, systematisch verzerren. Dabei sehen sie sich selbst entweder grundsätzlich als zu klein und zu schwach an oder haben völlig überzogene Erwartungen daran, wie die Dinge für sie zu laufen haben. Solche, wie man in der Psychologie oft sagt, „dysfunktionalen“ Annahmen über sich und das eigene Verhältnis zur Welt sind z.B.: „Ich bin nichts wert“, „Ich bin nicht in der Lage, irgendeinen nennenswerten Erfolg selbst herbeizuführen“, „Ich werde niemals glücklich sein“. - Aber auch Annahmen wie: „Ich muss alles perfekt tun und mein Leben perfekt einrichten“, „Ich muss von allen geliebt werden“, „Ich muss alles allein, ohne Hilfe und Unterstützung, bewältigen können“. Oder Annahmen wie: „Da ich grundsätzlich besser und wichtiger als andere bin, muss ich auch grundsätzlich besser als andere behandelt werden.“
4. Eine zunehmende Einseitigkeit in unserem Denken und Handeln
Die häufig vorkommende Dynamik ist, dass man Dinge, die man sehr gut kann und bei denen man erfolgreich ist und Anerkennung erhält, mit der Zeit mehr und mehr tut. Damit wächst das Risiko, dass andere Dinge, die einem eigentlich auch wichtig wären, mehr und mehr in den Hintergrund geraten. Als Coach erlebe ich dies gar nicht selten bei Menschen, die mit viel Engagement, Motivation und Erfolg ihren beruflichen Karriereweg gehen, dabei immer mehr und mehr von sich aus machen und aufgeladen bekommen, so dass ihr Leben schließlich fast nur noch aus Arbeit besteht und alles andere – Hobbys, Sport, Beziehungen, Familie etc. – an den Rand gedrängt wird. Typisch ist dabei, dass sich das zunächst als zeitliche Einschränkung zeigt: Die Aktivitäten neben dem Beruf kommen einfach nur noch recht reduziert vor. Nach und nach verändern sich aber auch der emotionale Bezug und das natürliche Wollen immer stärker. Die betreffende Person kommt in eine Mühle hinein, in der sie zwar – trotz aller weiter möglichen Erfolge - leidet, aber kaum noch über den Tellerrand ihres beruflichen Alltagstrotts hinausblicken kann.
Alle diese Faktoren, die Tendenz, alles zugleich haben zu wollen, die Kuckucksei-Identifikationen, Annahmen über uns und die Welt, die unsere Wirksamkeit schwächen wie auch eine zunehmende Einseitigkeit in unserem Wollen und Handeln wirken in einem hohen Maße unterschwellig und unbewusst, das heißt, sie sind uns nur sehr eingeschränkt transparent. Sie entfalten ihre Wirkung in der Regel ganz wie von selbst, ohne dass wir sie bewusst und absichtlich steuern würden. Für sie gilt: Es geschieht viel eher mit uns, als dass wir es bewusst gestalten.
Wir denken beispielsweise: „Natürlich will ich den eingeschlagenen Karriereweg ungeachtet dessen, dass er so sehr auf Kosten der Balance, Lebensfreue und Gesundheit geht.“ Oder: „Klar, dass ich es mal wieder nicht gut geschafft habe, weil ich es ja grundsätzlich nicht schaffe.“ Und wir merken gar nicht oder nur sehr bedingt, wie realitätsfern, fremdgesteuert, einschränkend oder einseitig unser jeweiliges Denken und Wollen gerade ist.
Das unablässige Wollen
Wir kommen, solange wir leben, nicht aus dem Wollen heraus; unablässig wollen wir irgendwas, auch wenn uns oft nicht klar ist, ob wir das, was wir gerade wollen, etwas ist, was wir wirklich wollen. Die Frage, was wir wahrhaftig und langfristig wollen, ist nicht trivial. Sie ist es vor allem auch deshalb nicht, weil es ja ganz verschiedene Bereiche in unserem Leben gibt, die ganz unterschiedliche Anforderungen an uns stellen und in denen wir durchaus unterschiedliche Bedürfnisse und Interessen haben. In Bezug auf unsere Arbeit, unseren Körper, soziale Beziehungen, Partnerschaft, Familie oder Hobbys sollen und wollen wir höchst unterschiedliche Dinge. Diese unterschiedlichen Anforderungen und Strebungen im Sinne einer möglichst weitgehenden persönlichen Balance, Zufriedenheit und Selbstwirksamkeit sinnvoll zu integrieren, ist außerordentlich anspruchsvoll.
Natürlich gibt es Menschen, die für einzelne dieser Bereiche intuitiv und oftmals sogar schon in jungen Jahren eindeutig wissen, was sie wirklich wollen und was ihnen am meisten gemäß ist. So spüren manche Menschen eine starke Berufung hin zu einer bestimmten Profession, z.B. als Künstler, Arzt, Sportler oder Ingenieur. Andere Menschen sind sich sehr früh intuitiv sicher, dass sie auf jeden Fall eine Familie und Kinder haben möchten und die Rolle als Vater/Mutter in ihrem Leben einen sehr prominenten Stellenwert einnehmen wird.
Auch wenn uns für einzelne Lebensbereiche unsere Orientierung, unsere wichtigsten Ziele und Bedürfnisse von geradezu fragloser Deutlichkeit sein sollten, so bleibt doch die umfassendere Frage, wie wir eine ausgewogene Balance zwischen den verschiedenen Bereichen unseres Lebens finden und fördern können. Und diese Frage erfordert zunächst einmal, herauszufinden, was das eigentlich ist, das wir in den verschiedenen Bereichen unseres Lebens besonders stark erleben, tun und erreichen wollen. Um dies zu klären, brauchen wir Reflexion und eine Art Vogelperspektive auf unser Denken, Wollen und Tun.
Klarheit des Wollens braucht Reflexion
Die Frage, was uns in unserem Leben insgesamt besonders wichtig ist, erfordert bewusste Reflexion, zum einen darüber, was überhaupt unsere wichtigsten Bedürfnisse, Ziele und Werte in den verschiedenen Lebensbereichen sind, zum anderen auch darüber, wie wir diese verschiedenen Bedürfnisse, Ziele und Werte am besten miteinander verbinden und ausbalancieren können.
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