Deutschland ist „im Stress“: Tempo, Hektik und Leistungsdruck gehören zum modernen (Arbeits-) Leben - sind potenziell belastend, rauben Energie und nagen langfristig an den eigenen Ressourcen. Darin sind sich im Grunde alle einig. Aber was meint Stress genau? Welche Konsequenzen hat Dauerstress für die Mitarbeitergesundheit? Wie können Unternehmen ihre Führungskräfte und Mitarbeiter/innen im Umgang mit Stress unterstützen?
Das Phänomen Stress ist nicht mehr zu übersehen: 32 % der Deutschen fühlen sich häufig oder sogar ständig gestresst, weitere 50 % zumindest gelegentlich (Forsa, 2009). Der Job ist dabei Stressfaktor Nummer eins, gefolgt von der Hektik im Alltag und dem Ärger in der Familie.
Für die meisten bedeutet Stress, dass sie (zu) viel zu tun haben oder ständig unter Zeitdruck stehen. Wissenschaftlich betrachtet, bezeichnet Stress „... ein als unangenehm empfundener Zustand, der von der Person als bedrohlich, kritisch, wichtig und unausweichlich erlebt wird. Er entsteht besonders dann, wenn die Person einschätzt, dass sie ihre Aufgaben nicht bewältigen kann“ (Joiko et al., 2010).
Langandauernder Stress kann auf die körperliche und/oder psychische Gesundheit schlagen. Die enorme Zunahme psychischer Erkrankungen in den letzten 10 Jahren gehen nicht zuletzt auf das Konto der gestiegenen Dauerbelastungen.
Psychische Erkrankungen nehmen zu
Psychische Erkrankungen gehören zu den häufigsten Krankheiten unserer Zeit. Die Zahlen sind alarmierend: rund 4 Millionen Bundesbürger leiden unter behandlungsbedürftigen Depressionen, meldet der Spiegel in seiner Reportage „Volk der Erschöpften“ (4/2011). Es ist vor allem die hohe Arbeitsdichte, die depressiv machen kann – zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Danach stehe die objektiv bewertete Arbeitsintensität, nicht aber der Tätigkeitsspielraum mit dem Auftreten von Depressionen im Zusammenhang. Im Klartext: Je höher die Arbeitsbelastung, desto häufiger erkrankten Beschäftigte an Depressionen und depressiven Verstimmungen (BAuA 2010).
Auch die Analysen der Krankenkassen bestätigen den Trend. „Burnout auf dem Vormarsch“ meldet das wissenschaftliche Institut der AOK (WIDO 2011) – der Anstieg psychischer Erkrankungen sei ungebrochen. Die Fehlzeiten aufgrund dieser Erkrankungen sind seit 1999 um nahezu 80 Prozent angestiegen. 2010 fielen Betroffene mit 23,4 Tagen je Krankheitsfall doppelt so lange aus wie der Durchschnitt der Erkrankten mit 11,6 Tagen. Knapp 100.000 Menschen mit insgesamt mehr als 1,8 Millionen Fehltagen wurden danach im Jahr 2010 wegen eines Burnouts krankgeschrieben. Frauen fehlten mit dieser Diagnose doppelt so häufig wie Männer – 101, 9 Ausfalltage gehen bei Frauen auf das Konto von Burnout, bei Männern sind es hingegen nur 49,7 Tage.
Im Jahr 2010 fehlten Versicherte der Techniker Krankenkasse durchschnittlich 196 Tage aufgrund psychischer Diagnosen, 2009 waren es noch 172 Tage (TK-Gesundheitsreport 2011). Vom Anstieg der Ausfallzeiten mit psychischen Ursachen bleibt kaum eine Branche verschont – Banken, Versicherungen, Informationsdienstleistungen sind genauso betroffen wie das Erziehungs- und Unterrichtswesen sowie das produzierende Gewerbe.
Führung und psychische Gesundheit
Das Thema Stress und seine Folgen ist für Führungskräfte von enormer Bedeutung. Schließlich gehört es zu ihren Aufgaben, vermeidbare Belastungen bei ihren Mitarbeiter/innen zu reduzieren und diese angemessen in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Die Kompetenzen und Potenziale der Mitarbeiter/innen sind dabei stets zu berücksichtigen. Dabei spüren die Führungskräfte selbst den (Erfolgs-)Druck im Unternehmen mit allen damit verbundenen Konsequenzen. Im Spannungsfeld zwischen Anforderungen der Unternehmensführung und den Interessen der Mitarbeiter/innen ergeben sich häufig Konflikte, die ausgetragen und gelöst werden müssen. Das kostet Kraft und Energie. Um ihre anspruchsvollen Aufgaben langfristig erfolgreich meistern zu können, ist es wichtig, dass Führungskräfte besonders bewusst auf die eigene Balance und Gesundheit achten.
Darüber hinaus prägen Führungskräfte ganz entscheidend die Kultur und das Miteinander im Unternehmen. Ein Klima der Wertschätzung und Anerkennung schützt die psychische Gesundheit ganz zentral. Ein Führungsstil, der auf Fairness, Unterstützung, Kooperation und Vertrauen basiert, hilft daher entscheidend bei der Stressregulation. Zudem ist die Führungskraft ein wichtiges Vorbild für Mitarbeiter/innen. Ihr Umgang mit hohen Arbeitsbelastungen, Forderungen und Erwartungen setzt Maßstäbe. Führungskräfte, die eine gute Balance zwischen Arbeit und Privatleben vorleben, Prioritäten setzen, sich und anderen Auszeiten erlauben sowie Angebote der Gesundheitsförderung systematisch wahrnehmen, wirken im ganzen Team als Promotoren für Gesundheit.
Eine gesundheitsorientierte Unternehmenskultur reduziert Stress
Eine Unternehmenskultur, die auf Vertrauen, Transparenz und Mitarbeiterbeteiligung setzt, schützt die psychische (und physische) Gesundheit ihrer Beschäftigten in besonderer Weise. Neben den klassischen Angeboten eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements in den Feldern Bewegung, Entspannung und Ernährung wirken folgende Elemente und Voraussetzungen langfristig gesundheitsförderlich:
- das Aufzeigen lernförderlicher Entwicklungsperspektiven unter Berück-sichtigung der beruflichen Qualifikationen und Kompetenzen der Mitar-beiter/innen
- Transparenz im Hinblick auf grundlegende betriebliche Entwicklungen
- vorhersehbare und gerechte materielle und immaterielle Anreize
- ein Klima von Respekt und gegenseitiger Unterstützung
- die Vermittlung von Sinn
- eine kreative Atmosphäre
- Selbstachtsamkeit
- Das Ermöglichen systematischer Pausen- und Auszeiten.
„Gesunde Unternehmen“ haben diese Rahmenbedingungen stets im Blick und binden Gesundheitsthemen in alle Führungs- und Managementprozesse ein. Damit schaffen sie die beste Grundlage zur nachhaltigen Gesunderhaltung ihrer Mitarbeiter/innen.