11. Dezember 2019

Sprechen mit der Kraft des Körpers

aus:
Hölscher, Stefan:
Professionell Kommunizieren. Persönlich – Präsent – Prägnant.
C. H. Beck 2019

Eine starke Position einnehmen

Bestimmt kennen Sie das auch: Je nachdem, wie man mental ‚drauf ist‘, fühlt man sich auch körperlich anders. Ist man guter Dinge und mit sich und der Welt im Reinen, fühlt man sich in der Regel auch körperlich frischer und leistungsfähiger, als wenn dunkle Gedanken, Sorgen oder negative Stimmungen einen plagen. Die Wechselwirkung zwischen Psychischem und Physischem können Sie aber auch andersherum erleben.

Körperliches Tun wirkt direkt auf die Psyche

Je nachdem, was Sie körperlich tun, rufen Sie auch einen anderen mentalen Zustand bei sich hervor

Übung: Ein Sack mit schweren Steinen

Um die Wirkung des Körpers auf Ihren mentalen Zustand zu spüren, machen Sie doch mal folgendes kleines Experiment: Setzen Sie sich bitte auf einen Stuhl und beugen Sie sich mit dem Rücken Richtung Oberschenkel so weit wie möglich nach unten. Stellen Sie sich nun bitte vor, wie ein Sack mit schweren Steinen auf Ihrem Rücken lastet, und verharren Sie bitte einen Moment in dieser, zugegebenermaßen unkomfortablen Position. Versuchen Sie nun bitte, sich fröhlich und frei zu fühlen. Sie werden merken, dass das kaum gelingen wird. Stehen Sie nun bitte auf und hüpfen Sie wiederholt nach oben, wobei Sie die Arme zur Zimmerdecke hin ausstrecken. Versuchen Sie nun, sich traurig und belastet zu fühlen. Sie werden merken, dass auch das jetzt kaum gelingt. Ihre jeweilige körperliche Aktivität wirkt sich direkt darauf aus, wie Sie sich fühlen und wie es Ihnen geht.

Die starke Wirkung des Körpers auf die Psyche sollten Sie für eine kraftvolle Kommunikation unbedingt nutzen. Das beginnt schon damit, dass Sie sich in der jeweiligen Situation über Ihren Raum bewusst werden. Besonders wichtig ist dies dann, wenn Sie eine Rede, einen Vortrag oder eine Präsentation halten. Machen Sie sich bewusst, dass es ‚Ihr Raum‘ ist, den Sie jetzt – während Sie reden oder präsentieren – mit Leben füllen. Nehmen Sie sich den Raum, der Ihnen jetzt gehört!

Den eigenen Raum einnehmen

Je stärker Ihr Bewusstsein für ‚Ihren Raum‘ ist, wenn Sie eine Rede, einen Vortrag oder eine Präsentation halten, desto stärker wird Ihr Auftreten.

Sie können mit Ihrer Bewusstseinsschärfung auch gerne noch einen Schritt weiter gehen: Sagen Sie sich, selbst wenn Ihre Rede oder Präsentation nur 15 Minuten dauert: „Dies ist jetzt meine Show. Ich bin für diese 15 Minuten der Herr im Ring. Ich nehme mir meinen Raum und ich bin es, der diese Situation jetzt gestaltet!“ Das klingt überheblich und anmaßend in Ihren Ohren? Probieren Sie es mal aus! Sie können es auch ruhig in Ihren ganz eigenen Worten formulieren. Es ist nicht der genaue Wortlaut, um den es hier geht. Es geht um das Bewusstsein, mit dem Sie sich in Ihrem Raum entfalten!

Hierzu gehört auch, dass man in eine Rede oder Präsentation und ganz generell in eine Kommunikationssituation nach Möglichkeit nicht hineinstolpert. Kommen Sie bitte erst mal in der Situation an! Manche Redner und Präsentierende fangen quasi schon an zu sprechen, während sie noch im Anmarsch, jedenfalls nicht in Ruhe angekommen sind. Dies wirkt nahezu immer hektisch und nicht besonders souverän. So bringt man gleich zu Beginn völlig unnötig Unruhe ins Geschehen.

Erst mal ankommen

Wenn Sie eine Rede, einen Vortrag oder eine Präsentation halten, kommen Sie bitte erst mal in Ruhe auf ‚Ihrer Bühne‘ an. Sammeln Sie sich einen kleinen Moment, bevor Sie starten, und geben Sie auch Ihrem Auditorium die Chance, sich kurz zu besinnen. Und dann – fangen Sie an!

Als Vortragender neigt man dazu, die Länge von Pausen zu überschätzen. Es kann einem wie eine kleine Ewigkeit vorkommen, während man vorne steht und noch nicht zu sprechen beginnt oder im Sprechen mal eine Pause oder Zäsur macht. Dies ist einer der Gründe, warum es so hilfreich ist, sich in Vortragssituationen mal auf Video zu betrachten und natürlich auch Feedback dazu zu bekommen.

Tipp: Videofeedback nutzen

Sorgen Sie doch mal dafür, falls Sie es nicht schon längst gemacht haben, dass eine Vortrags- oder Präsentationssituation von Ihnen auf Video aufgenommen wird, die Sie sich hinterher anschauen und zu der Sie von anderen Beobachtern auch Feedback bekommen können. Sie werden dann aller Wahrscheinlichkeit nach selbst merken und von Ihren Feedbackgebern auch bestätigt bekommen, dass die Zäsuren und Pausen, die Sie gemacht haben und die Ihnen subjektiv vielleicht sehr lang vorkamen, überhaupt nicht zu lang, dass sie aber für die Dramaturgie und Wirkung des Ganzen ausgesprochen wichtig waren. Abgesehen von dieser wichtigen Erfahrung werden Sie dabei vermutlich noch weitere interessante Dinge über Ihr Verhalten und seine Wirkung lernen. Sie werden sehen, dass die Dinge aus der Beobachterperspektive oft deutlich anders erscheinen als aus der Innensicht des Vortragenden beim Vortrag. Das kann Ihnen helfen, manches entspannter anzugehen, eben zum Beispiel auf Zäsuren und Pausen und auf anderes bewusster zu achten – zum Beispiel zum Auditorium hingewendet, statt halb von ihm abgewandt zu stehen, oder den Händen etwas freiere Bewegung zu lassen, statt sich mit ihnen die ganze Zeit am Pult festzuhalten etc.

Damit Sie eine möglichst starke Position einnehmen, ist des Weiteren auch wichtig, dass Sie darauf achten, dass das jeweilige Setting so weit wie möglich Ihrem Bedarf entspricht. Natürlich können wir Settings von Kommunikationssituationen nicht immer nach Belieben gestalten. Sind Sie aber zum Beispiel der Gastgeber für ein Gespräch, ein Meeting oder eine Verhandlung oder haben durch Ihre Rolle die Regie darüber, so können Sie deutlich Einfluss auf das Setting nehmen. Dabei geht es etwa um folgende Fragen: An welchem Ort und in welchem Raum soll die Kommunikation stattfinden? Wann und wie lange sollte sie sein? Soll dabei gesessen oder gestanden werden oder beides im Wechsel? Und falls man sitzen soll, in welcher Formation: um einen Tisch herum, im Stuhlkreis, in U-Form etc.? Welche technische Ausstattung sollte verfügbar sein: Beamer, Leinwand, Flipchart, Metaplanwand, anderes Equipment? Falls es eine Bewirtung geben soll, wie sollte die aussehen, wann und wo stattfinden? Solche und ähnliche Fragen betreffen nicht einfach irgendwelche Äußerlichkeiten, sondern können von erheblichem Einfluss auf Verlauf und Ergebnis der Kommunikation sein. Sorgen Sie also, wann immer möglich, für ein Setting, das voraussichtlich nicht nur für die anderen Teilnehmenden die besten Gestaltungsvoraussetzungen bietet, sondern auch für Sie persönlich.

In Situationen, in denen Sie so weitreichende Möglichkeiten, das Setting zu gestalten, nicht haben, können Sie gleichwohl fast immer ein paar Dinge so optimieren, dass es für Sie etwas besser passt. Dazu können zum Beispiel gehören: Wo stehen oder sitzen Sie genau? Vielleicht schlagen Sie sogar vor, dass während Ihres Parts die Tische oder Stühle ein wenig verrückt werden, damit alle sich in anderer Formation sitzend oder stehend versammeln. Möchten Sie etwas an der Beleuchtung verändern? Sollten zunächst, bevor Sie starten, die Fenster noch mal geöffnet werden, um den Sauerstoffgehalt im Raum zu erhöhen? Möchten Sie, wenn Sie etwas vortragen, ein bestimmtes Medium, zum Beispiel Folien, Flipcharts oder Handouts, benutzen oder sprechen Sie ganz frei?

Tipp: Das Setting mitgestalten

Versuchen Sie, wann immer möglich, in der Weise Einfluss auf das Setting einer Kommunikationssituation zu nehmen, dass für Sie bestmögliche Gestaltungs-voraussetzungen entstehen. Sie werden merken: Ganz ohne Einflussmöglichkeiten auf das Setting sind Sie faktisch nie. Zeigen Sie schon dadurch, dass Sie ein Setting situationsgerecht und proaktiv mitgestalten, Ihre kommunikative Gestaltungskraft!

Zentral dafür, dass Sie eine starke Position in Bezug auf das, worum es Ihnen in Ihrer Kommunikation geht, einnehmen, ist schließlich auch der Punkt, inwieweit Sie das, was Sie sagen, verkörpern. Bei manchen Menschen, die Statements machen oder Positionen vertreten, bekommt man das Gefühl, sie könnten auch ganz andere Punkte oder sogar das Gegenteil dessen, was sie gerade sagen, vortragen. Man hat den Eindruck, irgendwelche Worte zu hören, die etwas Beliebiges, etwas Opportunistisches oder Technokratisches an sich haben. Der Inhalt bleibt in Bezug auf den Sprecher äußerlich. Der Sprecher verkörpert nicht, was er sagt.

Die Kraft der Verkörperung

Je mehr Sie das, was Sie sagen, verkörpern, desto größer ist Ihre kommunikative Kraft.

Wie gelingt es, Inhalte zu verkörpern? Hierfür kommt es besonders auf folgende drei Punkte an:

Das, wofür Sie eintreten, tun Sie auch selbst. Sie gehören also zu denen, die, wenn sie Wasser predigen, auch Wasser trinken. Wenn Sie zum Beispiel für ein Leben möglichst ohne Rauschmittel eintreten, ist dies glaubwürdiger, wenn Sie auch ein solches Leben führen und nicht Kettenraucher oder Alkoholiker sind.

Sie strahlen schon mit Ihrem Habitus aus, wofür Sie eintreten. Ihre Botschaft kommt also schon durch Ihre Erscheinung ‚rüber‘. Wenn Sie sich also beispielsweise für hippe Mode starkmachen, wäre es schön, Sie würden ‚hipp‘ aussehen und nicht so rumlaufen, als hätten Sie die Sachen an, die Ihre Oma Ihnen vor 30 Jahren zur Konfirmation geschenkt hat.

Sie spüren das, was Sie sagen, während Sie es sagen, auch körperlich. Ihre Worte haben quasi leibliche Wurzeln. Wenn Sie also etwa eine Wertschätzung gegenüber Ihrem Gesprächspartner formulieren, wäre es hilfreich, Sie würden auch ein wertschätzendes Gefühl dabei spüren und nicht zum Beispiel schon an Ihren nächsten Agendapunkt denken.

Mir geht es hier vor allem um den dritten Punkt. Damit die Worte, die Sie zu einem bestimmten Thema sagen, die Kraft leiblicher Wurzeln bekommen, müssen Sie spüren, was sich in Ihrem Körper tut, wenn Sie darüber reden. An welchen Stellen in Ihrem Körper nehmen Sie am ehesten Reaktionen wahr, wenn Sie über das betreffende Thema sprechen, und welche Reaktionen spüren Sie da wohl?

Tipp: Die Empfindung malen

Um Ihr Bewusstsein für das, was Sie angesichts einer bestimmten Thematik empfinden, zu erhöhen, können Sie auch malen, was Sie körperlich spüren. Dabei geht es natürlich nicht um eine möglichst exakte Abbildung des physiologischen Geschehens, sondern um eine ganz subjektive Darstellung Ihres persönlichen Empfindens. Gerne können Sie dieser Darstellung dann auch noch eine Überschrift geben, die das Ganze für Sie noch stärker auf den Punkt bringt. Eine solche Visualisierung und Titelgebung kann eine gute Brücke sein, um ein schwer fassbares körperliches Empfinden anschaulicher und greifbarer zu machen.

Je deutlicher Sie die Verankerung Ihrer Worte in Ihrem Körper erleben, desto größer ist die Glaubwürdigkeit und Kraft dessen, was Sie sagen.

Über den Autor

Dr. Stefan Hölscher verbindet fundierte psychologische Erfahrung mit Klarheit und humorvoller Pointierungslust. Er liebt intensive Reflexion als Grundlage für kraftvolle Impulse: als Coach und Trainer ebenso wie als Autor und kreativer Geist.


Individuelle Beratung unter +49 69 9399677-0 oder info@metrionconsulting.de

Wer nicht einmal im eigenen Körper eine Resonanz zu den eigenen Worten spürt, sollte keinen besonderen Widerhall von anderen dazu erwarten.

Dr. Stefan Hölscher - Partner, Metrion Management Consulting