Ich erlebe in meinem Berateralltag in Organisationen immer wieder Menschen, die enormes Wissen und enorme Fähigkeiten haben und sich gleichzeitig schwer tun, sich mit ihren Kompetenzen wirkungsvoll in das Unternehmensgeschehen einzubringen. Manchmal beschweren sie sich – nicht selten auch wenn etwas schief gelaufen ist – im Nachhinein, dass sie zu einem Thema zwar etwas Wichtiges zu sagen gehabt hätten, aber niemand sie gefragt habe. Um wirkungsvoll mitzugestalten benötigt es eben oft nicht nur Fachkenntnisse, sondern auch den Willen und die Fähigkeiten, sein Wissen aktiv einzubringen und sich selbst als Spezialist auf der organisationsinternen Landkarte zu platzieren.
Typische Stolpersteine für Experten vor allem in größeren Unternehmen sind:
- Sie glauben, wenn sie nur hart genug arbeiten, wird man sie „entdecken“. Falls das nicht passiert, verstärken sie ihre Anstrengungen und sind dann gekränkt, wenn ihre Bemühungen nicht wahrgenommen werden.
- Sie nehmen an, dass allgemein bekannt sei, welche Kompetenzen, welche Fähigkeiten und welches Wissen bei ihnen schlummern bzw. abgerufen werden können. Und sie wollen sich ungern aufdrängen.
- Sie beschäftigen sich zu sehr mit ihrem Fachthema und weniger damit, wer ihnen Rückenwind für dessen Ausbau oder Anwendung geben kann.
- Sie verwenden gern und viel Zeit für Wissensaufbau, weniger für Wissensweitergabe, was dem Reputationsaufbau und Netzwerken dienen könnte
- Ihr Fachthema ist ihnen wichtiger als Macht und Einfluss, Spezialisten unterschätzen notorisch die Relevanz der organisationalen Dynamik für die Durchsetzung eines Themas
- Sie halten jede Art von „Selbstdarstellung“, noch schlimmer „sich verkaufen“ für eine anrüchige Tätigkeit, weil das potenziell unseriös und oberflächlich wirken könnte.
Was ist überhaupt Selbstmarketing?
Als Selbstmarketing werden bewusste Aktivitäten bezeichnet, mit denen ich mich selbst mit meinem Wissen und meinen Fähigkeiten im Unternehmen und auch darüber hinaus sichtbar mache, so dass meine Kompetenzen bekannt werden und abgerufen werden können. Und im Gegenzug – das ist die Idee von Marketing im engeren Sinne – erhalte ich beispielsweise eine bessere Reputation, die Schärfung meines eigenen Expertenstatus, Einfluss auf Entscheidungen, mehr fachliche Verantwortung oder interessante Projekte, Vernetzung und Wissensaustausch mit anderen Experten und nicht zuletzt auch Karrierechancen.
Was Experten in Bezug auf Eigenmarketing tun können
Gehen Sie in einem kurzen Gedankenexperiment folgender Frage nach:
Wie könnte ein Spezialist sicherstellen, dass er in der Organisation absolut unsichtbar bleibt?
Darauf werden Ihnen bestimmt schnell mögliche Antworten einfallen:
Er könnte beispielsweise seine Bürotür konsequent geschlossen halten, an möglichst wenig relevanten Meetings teilnehmen, niemals mit seinen Fachfragen andere Leute belästigen, Kolleginnen und Kollegen und vor allem wichtigen Entscheidern möglichst aus dem Weg gehen und sich auf keinen Fall in Fach- und andere relevante Diskussionen einmischen.
So würde der Fachexperte voraussichtlich selten oder gar nicht von anderen mit lästigen Fragen oder Aufgaben behelligt, so dass er sich in aller Ruhe seinen Lieblingsthemen widmen könnte.
Wollen Fachexperten allerdings aktiv und bewusst mitgestalten und sich mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten an relevanten Stellen in das Unternehmensgeschehen einbringen, sollten sie einen Plan entwerfen, wie das konkret geschehen kann.
Die Eckpunkte eines solchen Selbstmarketingplans sind:
Formulierung eines Angebotes
Was kann ich eigentlich besonders gut? Was sind meine Kernkompetenzen, die für das Unternehmen nützlich sein können? Sind das bestimmte methodische Kompetenzen, ein spezifisches Fachwissen oder konkrete persönliche Fähigkeiten, die ich einbringen kann? Worin unterscheide ich mich von anderen Experten, was macht mich möglicherweise sogar einzigartig?
Wie könnte die Organisation von mir profitieren? Welche Brücken gibt es zu anderen Themen?
Zielgruppe identifizieren
Für wen könnte ich mit meiner Expertise nützlich sein? Wer ist wichtig? Wer trifft mich und mein Thema betreffend die Entscheidungen? Welche Kontakte habe ich schon, welche sollte ich aufbauen? Wie kann ich mit diesen Personen in Kontakt kommen?
Gelegenheiten nutzen
Wie und wo will ich sichtbar werden?
Bei welchen Gelegenheiten kann ich in der Organisation mein Wissen sichtbar machen? Welche Meetings und Gremien gibt es? Wo kommen Entscheider, Manager oder andere relevante Fachexperten zusammen? Wo kann ich zu meinem Fachgebiet Präsentationen halten oder mich in die Diskussion einbringen? Vielleicht kann ich die Führungskraft bitten, mit mir gemeinsam zu überlegen und mir gegebenenfalls sogar Zugang zu bestimmten Gremien zu verschaffen.
Welche Veröffentlichungen will ich nutzen? (Intranet, Fachzeitschriften, Mitarbeiterzeitschriften, unternehmensinterne Online-Foren/Blogs usw.)
Kooperationen eingehen
Mit wem kann ich gezielt kooperieren, um gemeinsam ein Anliegen/ein Thema voranzutreiben. Welche Kollegen oder Führungskräfte kann ich aktiv ansprechen und um Unterstützung bitten?
Welche Brücken gibt es zu anderen Fachgebieten/Themen? Lassen sich hier produktiv Energien bündeln?
Wenn Sie die vorher genannten Punkte oder auch nur einige davon angehen, haben Sie gute Chancen, Ihre Sichtbarkeit im Unternehmen signifikant zu erhöhen. Es bleibt allerdings noch die wichtige Frage:
Wieviel Energie und Zeit wollen Sie in die Umsetzung Ihres Selbstmarketing-Vorhabens investieren? Nicht zuletzt ist es auch eine Frage der inneren Einstellung und Überzeugung, wie zielorientiert und konsequent Sie Ihren Plan verfolgen. Für die, die eher introvertiert sind und fürchten, dass das mit dem Trommeln für die eigene Sache nicht so ihr Ding ist:
Selbstmarketing zu betreiben heißt nicht, sich größer oder besser darzustellen als man ist, sondern sich mit dem darzustellen, was man kann.