Wir kennen sie alle, die Momente, in denen wir in einer Diskussion, in einem Meeting, und insbesondere in einem Gespräch mit einem/r sogenannt schwierigen Mitarbeiter:in am liebsten unterbrechen möchten – und in jedem Fall schnell das sagen möchten, was uns jetzt gerade brennend auf der Zunge liegt, was wir für qualifiziert und wichtig halten. Doch genau dies, insbesondere wenn wir in einem größeren Meeting sitzen, führt meistens zu einer unnötigen Verlängerung, zu genervten Teilnehmer:innen und zu den immer gleichen Ergebnissen. Es ist weder effizient noch effektiv – und Innovation kommt so auch nicht in die Welt.
In einer Diskussion nicht sofort zu werten bzw. die Beiträge anderer nicht abzuwerten und die eigene Reaktion erst zu überdenken, erfordert Impulskontrolle, Selbstreflexion und emotionale Intelligenz. Hier sind fünf praktische Schritte, die dabei helfen können:
- Den Geist und das Herz darauf richten zu verstehen: Den Anderen wirklich verstehen wollen, so als ob Sie zum ersten Mal mit ihm sprechen, so als ob Sie danach bewertet würden, wie treffend Sie den Sachverhalt und die dahinter liegenden Emotionen in eigenen Worten wiedergeben können. Wenn wir das tun und am besten sogar tatsächlich paraphrasieren, was wir verstanden und beim anderen empfunden haben, kommt es nicht selten vor, dass mein Gegenüber erst selbst richtig versteht, was er sagen wollte und wie es ihm damit geht.
- Pausieren und nachdenken: Machen Sie eine Pause bevor Sie antworten und atmen Sie in dieser Zeit tief durch. Nutzen Sie diese Pause, um die Antwort, die Ihnen auf der Zunge liegt, zu reflektieren. Worauf genau zielt Ihre Antwort ab: ist sie hilfreich für einen Dialog, in dem neue Gedanken in die Welt kommen, der immer wieder die eigenen Annahmen hinterfragt, in dem Andere auch „Recht haben“ können oder zielt die Antwort darauf ab, die eigene Position zu stärken, eigene Interessen durchzusetzen, vor anderen mit Wissen zu brillieren oder den Dialog abzukürzen und der eigenen Ungeduld nachzugeben, da der Sachverhalt für einen selbst doch glasklar ist?
- Emotionen während die andere Person spricht wahrnehmen: Wenn Sie nicht sowieso schon die Fähigkeit entwickelt haben, ihre eigenen Emotionen wahrnehmen und benennen zu können, während die andere Person spricht, können Sie die Pause auch dazu nutzen, sich selbst bewusst zu werden, welche Emotionen bei Ihnen und auch den Anderen gerade vorherrschen. Sind Sie genervt, gelangweilt, verärgert, enttäuscht, unsicher oder vielleicht auch stolz, zufrieden, dankbar, unsicher, voller Freude etc. Wenn Sie diese Emotionen hinterfragen, zum Beispiel: „Was genau ärgert oder enttäuscht mich hier gerade? Was freut mich? Wofür bin ich in diesem Kontext dankbar? Was macht mich unsicher?“ kann dies dem Gespräch einen ganz neuen Verlauf geben. Zwei Reaktionsmöglichkeiten wären dann sinnvoll: Das eine wäre, vor allem die negativen Emotionen zu regulieren, bevor man antwortet (und da hilft wiederum das Durchatmen und das Hinterfragen der eigenen Annahmen); und noch besser wäre, diese Emotionen im Gespräch auch zu benennen. Motto: „Ich merke gerade, bei mir kommt Ärger auf in diesem Zusammenhang und ich bitte um….“ Ihre Emotionen wollen Ihnen etwas sagen, sie zeigen Ihnen ein Bedürfnis an, dem es sinnvoll ist, nachzugehen. Es ist viel zielführender mit diesen Emotionen zu arbeiten anstatt sie zu ignorieren oder beiseite zu schieben. Bekanntermaßen poppen weggeschobene Gefühle dann auch wieder in den unmöglichsten Kontexten auf…..
- Fragen stellen: wenn Sie dem Zeitdruck die Aussicht auf neue Erkenntnisse, neue, spannende Wege vorziehen wollen und gründlich verstehen wollen, was die andere Person sagen möchte, können Sie Fragen stellen, um tiefer in die Gedankenwelt des Anderen vorzudringen. Hier bieten sich die sogenannten systemischen Fragen an, mithilfe derer Sie Ihre Gesprächspartner auffordern können, zu konkretisieren, zu operationalisieren, zu differenzieren etc.. Wenn Ihr Gegenüber kein echtes Anliegen hat, sondern nur Raum im Meeting einnehmen will, werden Sie das durch die Antwort auf diese Fragen sofort merken. Hat Ihr Gegenüber aber ein echtes Anliegen, eine Idee, dann kann sich, angeregt davon, in der Weiterentwicklung dieser Gedanken ein neuer inspirierender Gesprächs- oder Ideenpfad ergeben. Meine Erfahrung ist, dass in allen Arten von Gesprächen (Meetings, Mitarbeitendengespräche etc.) sehr schnell getroffene Annahmen als Fakten akzeptiert und dann unhinterfragt weiterverwendet werden. Eine Folge ist dann die zu frühzeitige Einengung des Gesprächsverlaufs. Hier ist also in der Regel noch viel Raum, tiefer in den Diskurs zu gehen. Das „kostet“ erst einmal Zeit, ist aber vom Ende her betrachtet gut investiert.
- Selbstreflektion: reflektieren Sie immer wieder, wie und aus welchen Gründen Sie in einem Meeting, einem Gespräch was gesagt haben und zu welchen Ergebnissen Ihr Beitrag geführt hat. Alternativ ist es auch hilfreich, vertraute Kolleg:innen zu bitten, Ihnen Feedback zu geben, wie diese Sie bzw. Ihre Reaktionen im jeweiligen Meeting oder Gespräch erlebt haben. Dies kann Ihnen wertvolle Impulse zur Weiterentwicklung ihrer eigenen Beobachtungen von sich selbst geben.
Alle fünf Schritte
- Den Geist und das Herz darauf richten zu verstehen
- Pausieren und nachdenken
- Emotionen wahrnehmen, wenn die andere Person spricht
- Fragen stellen
- Selbstreflexion
hängen miteinander zusammen und stärken sich gegenseitig. Sie klingen vielleicht einfach, sind es aber nicht. Durch eine regelmäßige Praxis und viel Fehlertoleranz sich selbst und anderen gegenüber (vor allem wenn Sie als Team beschließen sich auf einen solchen Weg zu begeben) werden Sie automatisch lernen, Ihre Reaktionen zu überdenken und in Diskussionen weniger schnell zu werten. Dies wird zu produktiveren, respektvolleren und am Ende auch effizienteren Gesprächen und Meetings führen.