15. Juli 2007

Das 5-Eck der Kooperationsgestaltung

Sowohl in unserem beruflichen wie unserem privaten Leben gibt es eine Unzahl von Beziehungen, in denen es um Kooperation zu allen möglichen Fragen und Themen geht. Ohne funktionierende Kooperationen wären wir nicht nur weniger erfolgreich, sondern könnten auf Dauer gar nicht leben. Manche unserer Kooperationen begleiten uns über einen längeren Zeitraum, andere sind kurz, manchmal nur wenige Minuten lang. Nicht wenige unserer Kooperations­beziehungen zeichnen sich durch Stabilität, Vertrauen und Offenheit aus und wir möchten sie nicht missen; andere erscheinen uns eher fragil, wechselhaft, unberechenbar oder mühsam, zäh und konflikthaft. Natürlich sind es situativ dabei ganz unterschiedliche Bedingungen und Dynamiken, die die Qualität einer Kooperationsbeziehung bestimmen. Trotz dieser Vielfalt von Einflussgrößen lassen sich aber fünf ganz basale Faktoren ausmachen, die die Produktivität von Kooperationen generell determinieren. Diese Faktoren sind:

Wahrnehmen

Präsenz, Zugewandtheit, Körpersprache, plötzliche oder allmähliche Veränderungen in der Kontaktgestaltung, Argumentation oder Dynamik, Gefühle und Atmosphärisches – all dies und manches mehr gibt wichtige Indikatoren für den Prozess der Kooperation sowie die Qualität und Relevanz im jeweiligen Stadium. Nur wer solche Phänomene wahrnimmt, und Wahrnehmung bedeutet hier ganz wesentlich auch Sich-selbst-Wahrnehmen, hat eine gute Chance auf Effektivität.

Wertschätzen

Innere Haltungen machen die Musik in Interaktion und Kooperation – mehr als jede aufgesetzte Fassade. Von ganz fundamentaler Bedeutung ist dabei die Frage, ob man sein Gegenüber als Person und in seiner Funktion wertschätzt oder nicht. Wertschätzung ist dabei nichts allgemein-abstraktes, sondern zeigt sich ganz konkret, z.B. in Respekt, Zugewandtheit, Ernstnehmen des Anderen und der Zugrundelegung guter Absichten beim Anderen (solange nicht das Gegenteil sehr klar belegt ist).

Ohne echte Wertschätzung werden Kooperationen, besonders längerfristige, tendenziell problematisch werden. Wahrnehmung und Wertschätzung bilden das unverzichtbare Fundament – jedenfalls dann, wenn es einem um Längerfristigkeit und produktives Gelingen geht. Darüber hinaus gilt es für gelingende Kooperationen aber noch mehr zu tun:

Impulse setzen

Den anderen positiv überraschen; mehr tun, als erwartet war; konstruktiv intervenieren, um festgefahrene Muster wieder aufzulösen; die persönliche Offenheit erhöhen – all diese und ähnliche Impulse sind je nach Situation erforderlich, damit Energie und Drive entstehen oder schwierige Situationen gemeistert werden können.

Konkretisieren 

In jeder, zumindest jeder komplexeren Kooperation gibt es Dinge, die konkretisiert und ausbuchstabiert werden müssen. Dies können Situations­einschätzungen, Zielgrößen, Kriterien, Regeln oder auch Perspektiven und Reaktionsweisen relevanter Dritter sein. Die Kunst besteht darin, dort in die Konkretheit und ins Detail zu gehen, wo dies für das gemeinsame Verständnis und Vorankommen nötig ist, und es dort nicht zu tun, wo es überflüssig oder gar kontraproduktiv wäre.  

Etablieren

Für jede Kooperationsbeziehung, die man über einen längeren Zeitraum behalten oder sogar vertiefen möchte, ist es erforderlich, ‚dran zu bleiben’. Es reicht nicht, von Zeit zu Zeit zu kommen und irgendwelche grandiosen Impulse zu setzen. Nötig ist Kontinuität, die Pflege der Beziehung, das Nachverfolgen von Vereinbarungen und Maßnahmen sowie die mitlaufende Wachheit und Aufmerksamkeit, auch wenn ‚auf der Bühne’ im Moment gerade weniger passiert.

All diese fünf Faktoren mögen schlicht klingen. Keiner von ihnen aber ist trivial. Oft nehmen Menschen gar nicht wirklich oder erst viel zu spät wahr, was bei ihrem Gegenüber oder auch bei ihnen selbst passiert. Nicht selten fehlt es an Wertschätzung, die jeder für sich wie selbstverständlich verlangt, aber wahrlich nicht immer zu geben bereit ist – und sich dann wundert, dass das Gelingen leidet. Oft bleibt alles grau und lau, und jede Energie und Vitalität scheint zu fehlen. Oder man begnügt man sich mit scheinbar klaren, aber letzten Endes vieldeutigen und Probleme vorprogrammierenden Überschriften, da, wo Vertiefung und Konkretisierung erforderlich wäre. Und schließlich fehlt es mehr als manchmal am Dranbleiben und der nötigen Pflege der Beziehung.

Integration

Keiner der genannten Punkte ist so gesehen ein Selbstläufer, um den man sich nicht weiter kümmern müsste. Alle gilt es immer wieder zu reflektieren, nach zu justieren und zu integrieren. Integration bedeutet dabei einen wachen Blick auf die jeweilige Kooperationssituation und ihre spezifischen Erfordernisse zu werfen. Und diese Integration wird umso besser gelingen, je klarer man die jeweilige Beziehung vor dem Hintergrund längerfristiger Ziele und Visionen sieht. Für eine möglichst effektive Steuerung der jeweiligen Kooperation ist es dabei mehr als hilfreich, die Dinge dezidiert vom Ende her zu denken: Welche Folgen wird es wohl längerfristig haben, wenn ich bzw. wir diese Beziehung so oder so oder gar nicht weiter gestalten? Und wie verhalten sich die zu erwartenden Folgen zu dem, worum es mir und uns längerfristig in unseren professionellen Rollen und Bezügen geht? Und noch einen Schritt grundlegender gefragt: Wie verhalten sich wohl diese Folgen zu dem, was ich persönlich langfristig will, was ich nicht will und was für mich, meine Arbeit und mein Leben zentrale Bedeutung hat?

Über den Autor

Dr. Stefan Hölscher verbindet fundierte psychologische Erfahrung mit Klarheit und humorvoller Pointierungslust. Er liebt intensive Reflexion als Grundlage für kraftvolle Impulse: als Coach und Trainer ebenso wie als Autor und kreativer Geist.


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Das In-Erscheinung-Treten von Konflikten wird oft als Problem gesehen. Probleme entstehen aber viel eher dann, wenn Konflikte nicht in Erscheinung treten.

Pia Gaspard - Partnerin, Metrion Management Consulting