Man kann sich gut vorstellen, dass Mitarbeiter sich bei Auslandsentsendungen im Gastland einem Kulturschock gegenüber sehen, der es zunächst schwer macht, sich reibungslos in die neue Welt einzuleben und einzuarbeiten. Unter einem Kulturschock versteht man ganz allgemein ein Gefühl der Unsicherheit und der Überforderung bei der Übersiedlung in und der Konfrontation mit einem neuen Kulturkreis. Typischerweise wird von Unternehmen vieles versucht, diesen Kulturschock abzumildern und den betroffenen Personen Unterstützung zu geben, um im Ausland möglichst schnell gut zurecht zu kommen.
Weniger bekannt ist, dass der Kulturschock bei Menschen, die nach einem längeren Auslandsaufenthalt in ihre Heimatnationen zurückkehren, ebenfalls auftritt, obwohl sie in eine ihnen (eigentlich) bekannte Kultur zurückkehren. Dieses Phänomen ist unter dem Namen ‚Reentry-Schock’ bekannt geworden. Es mag auf den ersten Blick überraschend erscheinen, dass eine Rückkehr in die Heimat solch eine Irritation hervorrufen kann. Bei näherer Betrachtung jedoch erhält man viele Hinweise, dass dieses Phänomen in nicht wenigen Fällen zu mangelnder Produktivität und in gravierenden Fällen auch zum Scheitern der Reintegration führen kann. In der Konsequenz verlassen Mitarbeiter die ursprüngliche Organisation oder in einigen Fällen sogar wieder das Heimatland, weil sie spüren, dass sie nicht dort anknüpfen können, wo sie einmal vor einigen Jahren aufgehört haben.
Die Herausforderungen der Wiedereingliederung werden umso größer je besser sich ein Mensch in das Gastland eingegliedert hat und je mehr die dortige Kultur im Laufe der Jahre auch - zumindest ein Stückweit - seine eigene geworden ist.
Welchen Herausforderungen steht der Rückkehrer gegenüber?
Zunächst einmal hat sich die Person durch den Auslandsaufenthalt selbst verändert. Zu diesen Veränderungen gehören häufig mehr Toleranz gegenüber fremden Kulturen allgemein sowie eine neue Sicht auf das Heimatland. Der Mitarbeiter hat gelernt, Dinge aus der neuen Kultur zu schätzen und andere Dinge aus der „alten“ Heimat zu hinterfragen. Er hat sich durch das neue Umfeld und die besonderen Herausforderungen in einer sehr spezifischen Weise weiter entwickelt. Diese Entwicklung divergiert von der Entwicklung, die andere, ihm bekannte Personen in der Heimat genommen haben. Seine Erfahrungen sind von diesen wiederum nur schwer zu verstehen und können nur begrenzt nachempfunden und gewertschätzt werden.
Eine weitere Schwierigkeit kann darin liegen, wie sich der Mitarbeiter nun seine berufliche Zukunft im Heimatland vorstellt. Besonders Personen, die im Ausland einen hohen Status, angenehme Privilegien sowie einen besonders hohen Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum hatten, erwarten, dass die von ihnen gemeisterten Herausforderungen auch in der Heimatorganisation ‚etwas zählen’ und dort Möglichkeiten geschaffen werden, sich in ähnlicher Weise zu be(s)tätigen. Sie wünschen sich die von ihnen erworbenen oder ausgebauten Kompetenzen auch in der Heimatorganisation wieder nutzbringend anwenden zu können. Die persönliche und berufliche Entwicklung soll sich sowohl in der neuen Rolle bzw. im Status als auch in der Aufgabe widerspiegeln. Enttäuschungen in der Form, dass zum Beispiel kein adäquater Arbeitsplatz vorhanden ist oder dass man dem Mitarbeiter eine gleichwertige Rolle in der Heimatorganisation nicht zutraut führen zu Frustration, Demotivation und dem Gefühl der eigenen Unterbewertung.
Die dritte Hürde, die einem glatten Einstieg entgegensteht, ist das Verhalten anderer Personen im privaten sowie im beruflichen Umfeld. Typischerweise interessieren sich nur wenige Kollegen, Freunde und Familienmitglieder wirklich für das in den Augen des Betroffenen sehr wichtige im Ausland Erlebte. Nach anfänglicher Empfangseuphorie geht das Leben relativ schnell zum ‚business as usual’ über und keiner fragt mehr nach den Erfahrungen im Ausland. Gelegentlich kann sogar der Effekt eintreten, dass neue Ideen, die der Heimkehrer aus seinem Gastland mitbringt, abgelehnt werden („Das kann man vielleicht in Korea machen…“).
Letztlich ist auch die Umorientierung im Lebensstil, besonders, wenn er mit einer empfundenen Ab- bzw. Rückstufung verbunden ist, ein nicht zu unterschätzender Faktor.
Alle diese Faktoren zusammen können auf das Wohlbefinden und Selbstwertgefühl des Einzelnen und manchmal auch seiner Familie Einfluss nehmen und ihn veranlassen, sich wieder ins Ausland zurückzusehnen.
Die Phasen des Rückkehrprozesses
Wie das Einleben im Ausland verläuft auch die Rückkehr in das Heimatland - auch wenn diese gewünscht oder manchmal sogar ersehnt war - psychologisch betrachtet in mehreren aufeinanderfolgenden Phasen.
Phase 1: Rückkehrbefürchtungen vor der Rückkehr
Die Rückkehr bedeutet zunächst einmal Unsicherheit und Zukunftsfragen: Was wird mit mir beruflich passieren? Wie werden mich meine Familie/meine alten Freunde wiederaufnehmen?
Phase 2: Rückkehrbegeisterung am Anfang der Heimkehr
Diese ist zumindest im Fall einer gewünschten Rückkehr geprägt von allgemeinem Optimismus, und der (manchmal naiven) Idee der einfachen Integration „Das kenne ich ja alles.“ Veränderungen in der Heimat werden zunächst mit Neugier und Offenheit betrachtet.
Phase 3: Ernüchterung, teilweise Unzufriedenheit, im schlechtesten Fall eine mentale Krise
Diese Phase ist der eigentliche ‚Reentry-Schock’. Das Heimatland kommt dem Rückkehrer fremd vor. Er fühlt sich unverstanden und vergleicht vieles mit dem Gastland, das durch die aktuelle ‚Brille’ auf einmal wieder wesentlich attraktiver aussieht.
Phase 4: Wiedereingewöhnung
Nach und nach werden realistische Erwartungen und Zukunftsvorstellungen aufgebaut. Der Mensch passt sich wieder an das Heimatsystem an. Er entdeckt einen Teil seiner alten Verhaltensmuster wieder und integriert gleichzeitig seine neuen Erfahrungen. Er kann angemessen auf verschiedene Lebens- und Berufsfelder reagieren und erlebt damit einen Zugewinn an persönlicher Kompetenz und Flexibilität.
Die Dauer dieser Phasen ist je nach Person unterschiedlich. Sie ist von der Persönlichkeit und Flexibilität des Menschen abhängig, aber auch davon, wie wohl sich jemand im Gastland gefühlt hat, wie lange er dort war, wie er in das jeweilige berufliche und soziale Umfeld eingebunden war sowie welche Unterstützung und Erfahrungen er bei seiner Rückkehr erlebt.
Einige Hinweise zu besseren Reintegration
Zunächst einmal ist wichtig, dass das Phänomen des ‚Reentry-Schocks’ der betroffenen Person und auch seinem Umfeld, insbesondere dem Arbeitgeber, bewusst ist und dass damit sorgsam und unterstützend umgegangen wird. Idealerweise bekommt der Betroffene nicht irgendeinen ‚Job’, der gerade frei ist, sondern eine Funktion, in der er seine neu erworbenen Fähigkeiten mit einsetzen kann und die ihm sowohl in Bezug auf die Arbeitsinhalte als auch auf die damit verbundenen Einflussmöglichkeiten als eine interessante Herausforderung erscheinen. Eine längere Eingewöhnungszeit ist genau wie bei einer Auslandsentsendung mit einzukalkulieren.
Der Betroffene selbst sollte sich nicht nur darauf verlassen, dass der Arbeitgeber ‚es schon für ihn richten wird’. Ergänzende Eigeninitiative kann helfen, tiefere Krisen zu vermeiden. Eine gute Vorbereitung schon im Ausland durch verstärktes eigenes Netzwerken in die Heimatorganisation hinein kann dem Expat schon im Voraus transparent machen, in welche Situation er zurückkommen wird. Privat (Wohnsituation, Familie/Kinder) und beruflich sollte möglichst viel Sicherheit durch Vorausplanung hergestellt werden. Einmal im Heimatland angekommen, können Seminare, Coachings und ganz allgemein der Austausch mit anderen Betroffenen die Rückkehr und Reintegration erheblich erleichtern.
¹“Expats“ = Expatriates – so nennen sich Ausländer im Ausland untereinander