„Eine gesunde Unternehmenskultur ist für den dauerhaften Erfolg eines jeden Unternehmens unerlässlich“. So oder so ähnlich lauten immer wieder Schlagzeilen von Umfragen und Studienergebnissen. Schaut man in die Kriterien für eine gute und gesunde Firmenkultur, dann werden vor allem ein positives, sicheres und angstfreies Betriebsklima, eine gute Konfliktkultur und eine Kultur des Vertrauens und des Anerkennens genannt.
Befragt man die Mitarbeiter*innen von Unternehmen, so berichten diese jedoch oft, dass es kaum Themenfelder gibt, in denen die Ansprüche der Unternehmen an eine gesunde Unternehmenskultur und die Unternehmensrealität so weit auseinanderklaffen wie darin, Konflikte konstruktiv und produktiv anzugehen.
Dies ist auch kein Wunder. Schaut man genauer hin, widersprechen sich die Bedürfnisse nach einem sicheren, angstfreien Betriebsklima und der Voraussetzung für eine gute Konfliktkultur – nämlich das Einüben des wertschätzenden Ansprechens von konflikthaften Themen. Doch wieso fürchten so viele Menschen sich davor? In der Regel liegt dem eine Angst zugrunde, dass die doch angeblich so gute Beziehung gefährdet wird, der/die andere einen nicht mehr wertschätzt, unangenehm und unsachlich angreift, vielleicht die Beziehung abbricht – und damit nicht so reagiert, wie er nach den Feedbackregeln reagieren sollte. Die Angst ist berechtigt, all dies kann passieren und viele werden auch schon solche Erfahrungen gemacht haben. Leider ist zudem nichts ungünstiger, als wenn konflikthafte Themen angesprochen und dann nicht geklärt werden, weil die Betroffenen nicht gelernt haben, Konflikte angemessen auszutragen. So entsteht ein Teufelskreis, da schlechte Erfahrungen sich wiederholen und man zu dem Schluss zu kommt, dass es besser ist, nichts zu sagen. Wie oft höre ich in Teams: „Das bringt doch nichts, da ändert sich eh nichts.“ Allzugern gilt zudem der- oder diejenige, der/die Spannungen anspricht als Spielverderber/in, was eine unsere Urängste triggert, nämlich die aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden. Früher kam dies einem Todesurteil gleich und laut Psychologie und Anthropologie sitzen solche Ängste tief in uns. Das Bedürfnis nach einem sicheren und angstfreien Klima müsste sich demnach in der Rangreihenfolge der Bedürfnisse ganz hinten anstellen, wenn man sich entschließen will, Missstände anzusprechen. Dies braucht Bewusstheit, Klarheit über die eigenen Ängste und Bedürfnisse sowie innere Stärke, um die Ängste und Bedürfnisse in eine der Situation angemessene Reihenfolge zu bringen und konstruktiv einzusetzen. Dies ist eindeutig sehr anspruchsvoll.
Wieso ist es dennoch so wichtig, dass konflikthafte Themen angesprochen werden?
Ein Konflikt in einem Unternehmen ist oft sehr wertvoll: er weist auf Missstände hin, z.B. Unzufriedenheit mit umständlichen Arbeitsprozessen, nicht wertschätzender Umgang mit Personen, Entscheidungen, die ungerechtfertigt über die Köpfe Betroffener hinweg gefällt werden, Personen, die auf Kosten der Teamproduktivität schlecht oder zu langsam arbeiten etc. Traut man sich, den oft nur unterschwellig wahrnehmbaren Konflikt bei Tageslicht anzuschauen und in die Ursachen hinein zu zoomen, können nicht immer, aber sehr oft Lösungen erarbeitet werden, die das Team, das Unternehmen voranbringen. Nicht gelöste Themen und die entsprechende Unzufriedenheit damit, senken nicht nur die Produktivität (die Schätzungen hier betragen 10-25% Einbußen) sondern beeinträchtigen langfristig auch die Gesundheit aller Beteiligten. Laut einer Online-Befragung von Däfler (Harvard Business Manager 2014) waren 30,1 % der Mitarbeiter/innen mehrfach innerhalb eines Jahres an Konflikten beteiligt (bei einer Unternehmensgröße von mehr als 5000 Mitarbeitern).
In der Realität schwelt oft genug der Konflikt unter der Oberfläche und gleicht einem Geschwür, das wächst und wächst bis eines Tages ein Ausbruch erfolgt und gefühlt nun gar alles in Trümmern liegt. Dies kann heilsam sein, da das Team nun nicht mehr darum herumkommt, den Konflikt anzugehen. In der Zwischenzeit aber ist viel Zeit ins Land gegangen, hat die Produktivität gelitten und ist manchmal auch so viel an Verletzungen und Kränkungen passiert, dass diese nicht mehr aufgearbeitet werden können. Auch hier gilt also: Prävention ist viel leichter als Therapie …
Nach solchen Erfahrungen neigen viele dazu, Konflikte für lästige Störungen zu halten, die es möglichst zu vermeiden gilt. Das aber wäre grundsätzlich falsch. Es geht nicht um Vermeidung sondern um Nutzung. Nutzung für eine Weiterentwicklung: was sollte verändert werden in unseren Prozessen? Welche unterschiedlichen Sichtweisen stellen sich heraus? Was braucht es für eine flüssige und freudvollere Zusammenarbeit? Werden die Differenzen in den Arbeitsstilen, Herangehensweisen, Werten, Zielen als Fähigkeiten begriffen und in einem Konflikt fruchtbar gemacht, indem Unterschiede und Gemeinsamkeiten, die dahinterstehenden Werte und Haltungen besprochen und für bessere Lösungen genutzt werden, kommen sowohl das Team bzw. das Unternehmen als auch die jeweils Beteiligten selbst kaum umhin, daraus zu lernen und sich wieder ein Stückchen weiter zu entwickeln. Waren Buffet hat einmal gesagt: „Um außergewöhnliche Ergebnisse zu erzielen, braucht man nichts Außergewöhnliches zu tun.“ Werden kontinuierlich die Vorboten von Konflikten wie kleine Verstimmungen, Differenzen, Verhärtungen im Umgang bei sich selbst und anderen wahrgenommen, angesprochen und gut geklärt, wachsen die Beteiligten daran sehr viel mehr, als es auf den ersten Blick scheint.
Doch wie finde ich den Mut? Wie spreche ich es an?
Wer auf die richtige Gelegenheit wartet, wird sie selten finden, den einmal ist im Meeting die Zeit zu knapp, beim nächsten Mal ist die Stimmung sowieso schon schlecht, virtuell traut man sich nicht und außerdem gibt es gerade wichtigere finanziell-wirtschaftliche Themen. Und schon wieder vergehen Wochen und Monate und der Versuch des bewussten oder unbewussten Aussitzens des Konfliktes geht weiter. Für alldiejenigen im Unternehmen, die euphemistisch gesprochen das Herz nicht auf der Zunge tragen, heißt es, den Raum dafür zu schaffen und z.B. eine Klärung im Meeting auf die Agenda setzen oder noch besser: regelmäßige „clear the air“-Meetings einzuplanen. Diese Meetingform dient dazu, frühzeitig interpersonelle Spannungen zu klären und durch das Erarbeiten von besseren Vorgehensweisen aufzulösen. Da diese in fest definierten Zeitabständen stattfinden, werden Konflikte im Frühstadium (also eher noch Differenzen) aufgegriffen und sofort sinnvoll für die Weiterentwicklung genutzt, bevor die Produktivität leidet. Lust auf diese Meetings hat zunächst niemand. Es können hier jedoch in einem geschützten Raum Themen angesprochen werden, die störend wirken und wenn, oder gerade dann, wenn es bei einem der Beteiligten nur ein kleines Bauchgrummeln ist. Der Mehrwert wird in der Regel bereits während des Meetings, vor allem aber danach sichtbar. Und sei es erst mal „nur“ dass man über andere etwas erfährt, was man vorher nicht wusste und darüber zum einen empathischer wird, zum anderen aber das eigene Verhalten reflektiert. Wenn ein solches Meeting gut moderiert wird - und das ist erlernbar - wird die Kommunikation allein durch diese regelmäßigen Clear the air-Einheiten in diesem Team offener, klarer, konstruktiver und zielorientierter.
Probieren Sie es aus!