20. Juni 2018

Starke Kommunikation braucht mehr als starke Kommunikation. Das Triple P-Modell kommunikativer Gestaltungskraft

Wer stark kommunizieren kann, war schon immer im Vorteil. Andere mit Worten überzeugen, bewegen, beeinflussen, begeistern zu können, macht es leichter, eigene Ziele zu erreichen und gute Beziehungen aufzubauen. Das ist nicht neu. Deutlich gestiegen – sicher auch durch unsere medialen Möglichkeiten und Gewohnheiten – ist aber der Anspruch, dass der Funke in kurzer Zeit rüberkommen und gleich eine ordentliche Glut entfachen soll. Wenn nicht, wird schnell und oft erbarmungslos ab- oder umgeschaltet. Dies scheint ein generelles Phänomen unserer Zeit zu sein.

Daneben lässt sich bezogen auf moderne Arbeitskontexte aber auch sagen, dass das Erfordernis, kompakt zu analysieren, zu informieren, zu argumentieren, sich zu positionieren durch die agiler, dynamischer, flexibler und oft auch virtueller gewordenen Arbeitsformen und die Zunahme von fachlich heterogenen Schnittstellen gestiegen ist. Die Fähigkeit, stark kommunizieren zu können, ist damit gerade in beruflichen Kontexten wichtiger denn je.

Wenn wir dann, um unsere kommunikativen Fähigkeiten aufzurüsten, einschlägige Bücher lesen oder Seminare besuchen, so können wir in der weiten Mehrzahl dieser Unter­stützungs­angebote viel über stringentes Argumentieren, den Aufbau von kürzeren und längeren Präsentationen, gute Vorbereitung und Adressatenfokussierung, den Umgang mit Einwänden, die Bedeutung non- verbaler Signale und ähnliches mehr erfahren. Alles Dinge, die zweifellos relevant und hilfreich sind. Für starke Kommunikation, die mehr als ein Zufallstreffer sein soll, reichen sie aber nicht aus. Starke Kommunikation braucht mehr als kommunikative Methoden, wie wir immer dann merken, wenn wir jemanden wirklich als starken Kommunikator erleben. Dann erleben wir nämlich immer auch eine ausgeprägte persönliche Kraft und wenn es gut läuft persönliche Klarheit und Authentizität. Kommunikative Stärke erfordert also auch einen starken Bezug zu den jeweils individuellen Kraftquellen. Sie speist sich immer auch aus der Stärke der Persönlichkeit.

Geht man das Ganze etwas allgemeiner an, so kann man sagen: Kommunikative Gestaltungskraft resultiert maßgeblich aus dem Zusammenspiel von drei Arten von Faktoren: Faktoren des ICH, d.h. der Persönlichkeit, Faktoren des DU, d.h. der Präsenz in Bezug auf den jeweiligen Anderen und Faktoren des ES, d.h. der Prägnanz, Substanz und Varianz der ausgedrückten Inhalte.

Das von uns entwickelte Triple P-Modell der Kommunikativen Gestaltungskraft veranschaulicht diesen Zusammenhang. Lassen Sie uns die drei dafür zentralen Dimensionen etwas genauer anschauen. Auf der Seite der Persönlichkeit braucht kommunikative Kraft Selbstvertrauen, Drive und körperliche Ver­anker­ung. Wichtige Säulen von Selbstvertrauen sind: seine eigenen Stärken zu kennen und zu wissen, dass und wie man sie wirksam einsetzen kann; sich selbst wertzuschätzen für das, was man tut, was man erreicht hat, aber auch dafür, wer man ist; sich auch in kritischen Situationen zu vertrauen, die Dinge schließlich gut lösen zu können. Dass ein gesundes Selbstvertrauen auch kommunikative Kraft erhöht, ist nur zu offensichtlich. Besonders evident wird dies in schwierigen Kommunikations­situationen, in denen schon das Vertrauen, schließlich doch noch zu einem guten Ende zu finden, eine hoch wirksame Weichenstellung ist.

Drive meint eine bestimmte Art vitaler Energie. Grundlegend für diese Energie ist die innere Haltung, anzunehmen, was da ist, auch wenn man es sich anders gewünscht hätte, und davon auszugehen, dass man etwas Sinnvolles daraus machen kann. Grundlegend für Drive ist auch, die unterschiedlichen eigenen Bedürfnisse klar wahrzunehmen, ernst zu nehmen und zu balancieren und verbunden damit, ein positives Verhältnis zu den eigenen (An-)Trieben und Lüsten. Menschen, die in diesem Sinn über hohen Drive verfügen, lassen sich zum Beispiel durch unerwartete, vielleicht ablehnende, harsche oder sonst wie zunächst schwierige Reaktionen anderer nicht so leicht aus der Bahn bringen, weil sie davon ausgehen, alles was kommt, sinnvoll nutzen zu können, z.B. einen Einwand für ein besseres Verstehen von Zusammenhängen, Interessen oder Risiken.

Körperliche Verankerung zeigt sich in Kommunikations­situationen zum einen darin, mit Atmung, Stimme, Bewegung und Position im Raum achtsam umzugehen; zum anderen aber auch darin, wichtige Botschaften und Ausdrucksformen bewusst auch körperlich zu repräsentieren oder wie man dafür eben auch sagen kann, zu verankern. Jeder gute Schauspieler weiß um die immense Bedeutung dieser Dimension für authentische Wirkungskraft; und jeder gute Redner und Kommunikator nutzt sie ebenfalls – bewusst oder unbewusst.

Für die gute Präsenz in Bezug auf die jeweiligen Kommunikationspartner braucht es Empfängerorientierung, Zielklarheit und Interaktionsgestaltung. Empfängerorientierung zeigt sich besonders darin, die Bedürfnisse der jeweiligen Partner gut wahrnehmen und sich auf die ‚Welt‘ der Partner (ihre Sprache, Werte, Standards, Gepflogenheiten etc.) gut einzustellen zu können, natürlich ohne sich dabei zu verbiegen. Zielklarheit meint, sich klar darüber zu sein, welche Botschaften man ‚rüberbringen‘, welche kurz- und längerfristigen Effekte man bewirken möchte und welche Chancen und Risiken es in der Situation wohl dabei gibt. Die Kombination aus Flexibilität und Lust auch mit vielleicht im Vergleich zu einem selbst ganz anders ‚tickenden‘ Zeitgenossen gut klarzukommen einerseits und Klarheit darüber, was man am Ende des Tages erreichen möchte andererseits, beflügelt Empfänger- und Zielerreichung enorm.

Nötig ist dafür zugleich auch eine professionelle Interaktionsgestaltung. Dazu gehört ganz wesentlich, das Verhältnis von ‚Senden‘ und ‚Empfangen‘ sinnvoll balancieren zu können. Kommunikatoren, die faktisch nur senden, aber nicht zuhören können oder wollen, genauso wie solche, die vielleicht gut zuhören, aber faktisch nicht senden können oder wollen, sind auf die Dauer Interaktionskiller. So einseitig bringt es einfach nichts und macht – zumindest dem jeweiligen Gegenüber – auch keinen Spaß. Aktives Zuhören erfordert einen anderen mentalen Modus als andere durch Reden zu bewegen. Beide Modi sind für gelingende Kommunikation essenziell. Man sollte aber zwischen ihnen situationsgerecht wechseln können. Das gleiche gilt für den Wechsel von Sagen und Fragen. Zu professioneller Interaktionsgestaltung gehört immer auch die Fähigkeit, andere Menschen durch erkundende Fragen zum Nachdenken und Reflektieren bringen zu können. Die Kunst des guten Fragens ist ein unverzichtbarer Bestandteil ausgeprägter Kommunikations­kraft.

Weitere wichtige Faktoren der Interaktionsgestaltung sind die Fähigkeit, kraftvolle Impulse setzen zu können und Storytelling, d.h. die Fähigkeit anderen Menschen durch lebendige Geschichten eine Anschauung, einen Rahmen und ein greifbares Sinngefüge geben zu können.

Schauen wir schließlich noch auf die dritte Dimension: Auf der Seite der ausgedrückten Inhalte sind Substanz, Prägnanz und Varianz Ausweis kommunikativer Gestaltungskraft. Bedingungen von Substanzialität sind dabei insbesondere Kompetenz in der Sache, gute Vorbereitung und gute Strukturierung. Prägnanz wiederum erfordert Klarheit und Verständlichkeit, Punktgenauigkeit und Pointierung sowie auch die Fähigkeit, Spannung und Reibung erzeugen zu können. Varianz schließlich entsteht durch die situative Beweglichkeit von Parametern wie Tempo, Rhythmus, Lautstärke, Wechsel von Konkret und Allgemein, Bildhaft und Abstrakt, Leichtigkeit und Ernst etc. .

Kommunikative Gestaltungskraft braucht das Zusammenspiel aller 3 x 3 Faktoren. Je virtuoser das Zusammenspiel, desto stärker die Wirkung. Dass dies alles andere als einfach ist, sieht man schon daran, dass es so wenige rundherum überzeugende Kommunikatoren gibt, aber wohl auch daran, dass man – bei Lichte betrachtet – vielleicht auch zugeben muss, auch selbst nicht in 100% der Fälle, ein Musterbild kommunikativer Gestaltungskraft abzugeben. Dabei reicht es oft schon, wenn einer der Faktoren deutlich ‚schwächelt‘, wobei es faktisch nicht selten auch mehrere sind, die nicht voll zur Entfaltung kommen, damit das Gesamtbild leidet.

Das Gute ist: alle der genannten Aspekte lassen sich trainieren und ebenso auch ihr Zusammenwirken. Lassen Sie uns dafür exemplarisch auf je ein Beispiel aus den drei P-Feldern schauen: Den Persönlichkeitsfaktor Drive können Sie etwa dadurch bei sich stärken, dass Sie immer besser lernen, das, was nun einmal da ist, auch wenn Sie es so vielleicht nicht haben wollten, als Tatsache anzunehmen und mit der Frage zu verbinden, wie – nicht ob – Sie daraus etwassinnvolles gestalten können. Je konsequenter Sie diese Haltung einnehmen, umso mehr Drive werden Sie entfalten. Den Präsenzfaktor Interaktionsgestaltung können Sie zum Beispiel so trainieren, dass Sie in allen möglichen Kommunikations­situationen Ihre Neugier und Erkundungslust aktivieren, verbunden damit, mehr erkundende Fragen zu stellen und so auch einen stärkeren Wechsel von Sagen und Fragen zu realisieren. Den Prägnanzfaktor Kürze können Sie etwa dadurch stärken, dass Sie sich darin üben, öfter mal einen Punkt zu machen und erst mal die Reaktion des anderen abzuwarten statt selbst einfach weiter zu reden oder dadurch, dass Sie trainieren komplexe Zusammenhänge – fast bildzeitungsmäßig – in einfache Worte für den Nichtexperten zu formulieren.

Vielleicht haben Sie ja Interesse, mal den Fragebogen zur Selbst­einschätzung kommunikativer Gestaltungskraft auf unserer Homepage durch zu gehen.. Der Fragebogen kann Ihnen Anhalts­punkte liefern, in welchen Bereichen Ihre besonderen Stärken und wo gegebenenfalls noch Entwicklungsmöglichkeiten liegen. Vielleicht mögen Sie den Fragebogen sogar mal jemandem geben, der Sie gut kennt und bereit ist, Ihnen durch seine Einschätzung eine differenzierte und konstruktive Fremdwahrnehmung zu geben. Das bietet oft eine sehr spannende Vergleichsmöglichkeit. So können Sie gezielt Felder identifizieren, um Ihre persönliche Kommunikationskraft noch weiter zu entfalten. Sie wissen ja: Starke Kommunikation braucht immer mehr als starke Kommunikation. Sie sind mit Ihrer ganzen Persönlichkeit dabei gefragt!

Über den Autor

Dr. Stefan Hölscher verbindet fundierte psychologische Erfahrung mit Klarheit und humorvoller Pointierungslust. Er liebt intensive Reflexion als Grundlage für kraftvolle Impulse: als Coach und Trainer ebenso wie als Autor und kreativer Geist.


Individuelle Beratung unter +49 69 60 60 55 60 oder info@metrionconsulting.de

Kommunikative Stärke speist sich immer auch aus der Stärke der Persönlichkeit.

Dr. Stefan Hölscher - Partner, Metrion Management Consulting