Welche Führungskraft hat sich noch nicht mit der Frage „Wie führe ich eigentlich richtig?“ beschäftigt. Als Antwort stößt man auf viele Modelle und Ansätze, in denen jedoch das Alter und die Generationenzugehörigkeit der Mitarbeiter keine oder nur eine indirekte Rolle spielen. Die Diversität der Generationen wird erst jetzt zum Thema, wo absehbar ist, dass künftig eine größere Altersvielfalt in den Unternehmen zu finden sein wird. Drei bis vier Generationen werden zusammenarbeiten - Menschen von 15 bis 65 - was die Frage aufwirft, wie die Führungskräfte mit dieser großen Spreizung umgehen werden. Betrachten wir die heutige Zusammensetzung der Belegschaften, so gibt es in vielen Unternehmen eine verdichtete Altersstruktur, wobei der Schwerpunkt in der Altersgruppe der 35- bis 50jährigen liegt. (Ergebnisse aus der Studie „Generationenmanagement in deutschen und österreichischen Unternehmen“ von Karin Pape und Dr. Margret Beisheim, 2010 / siehe auch „Verborgene Schätze in der Alterspyramide“, Karin Pape und Dr. Margret Beisheim, Personalwirtschaft, 7/10, www.metrionconsulting.de/presse). Führungskräfte, die besonders häufig in dieser Altersgruppe zu finden sind, werden in Zukunft auch Mitarbeiter führen, die deutlich älter bzw. jünger sind als sie selbst. Um die jungen, qualifizierten und entwicklungsfähigen Talente konkurrieren die Unternehmen bereits heute.
Durch die unterschiedlichen Werte, Bedürfnisse und Arbeitsstile der Generationen entstehen neue Herausforderungen für die Führungskräfte. Ihre Aufgabe wird es sein, die verschiedenen Generationen zu einer produktiven und funktionierenden Organisation zu vernetzen.
Was verstehen wir unter einer Generation?
Eine Generation kann als Altersgruppe beschrieben werden, die Geburtsperiode und prägende gesellschaftliche und historische Ereignisse in der Kindheit, Jugend und jungen Erwachsenenzeit miteinander teilt. Aufgrund dieser Ereignisse entwickeln Generationen unterschiedliche Einstellungen und Identitäten, die sie voneinander abgrenzen. Allerdings gibt es innerhalb der Generationen eine große Bandbreite mit vielen individuellen Unterschieden im Lebensstil und in den Verhaltensweisen, trotzdem zieht sich so etwas wie ein „roter Faden“ durch die Einstellungen und Werte der Angehörigen einer Generation. Sichtbar werden die Unterschiede in Variablen wie z. B. Gesundheit, körperliche Leistungsfähigkeit, Familienstand oder Karriereentwicklung, aber auch in sogenannten Kohorteneffekten, also Prägungen, die aus der gemeinsamen Sozialisierung entstehen.
Was bedeutet die Generationenzugehörigkeit der Beschäftigten für die Führungskräfte?
Aus heutiger Sicht sind zwei Entwicklungen absehbar: Einerseits erreicht die jüngste Generation (Internetgeneration/Nexters) jetzt die Eintrittsphase in den Arbeitsmarkt. Gleichzeitig bedarf die größer werdende Mitarbeitergeneration 50+ (Wirtschaftswunder-/Babyboomer-Generation) der besonderen Aufmerksamkeit der Führungskräfte, damit sie bis zum Eintritt in das Rentenalter produktiv am Unternehmensgeschehen mitwirken. Daher ist es erforderlich, die heute gängigen Führungsphilosophien und -modelle auf die zukünftige Passgenauigkeit für diese Gruppen zu überprüfen.
Die Internetgeneration (Nexters, ca. ab Jahrgang 1981)
Das Verhalten und die Einstellungen der jüngeren Generation dürfte den Führungskräften, die heute überwiegend der Generation der Babyboomer entstammen, häufig Rätsel aufgeben. Die Internetgeneration unterscheidet sich in erster Linie durch neue mobile Kommunikationsformen und ein hohes Maß an Wahlmöglichkeiten im Leben. Viele sind in gesicherten finanziellen Verhältnissen aufgewachsen mit Eltern, die der Arbeit einen hohen Stellenwert einräumen. Die gut ausgebildeten Nexters sind optimistisch, was ihre Lebensgestaltung angeht, und suchen gleichzeitig Sicherheit und Orientierung angesichts der vielen Optionen, die sie in Beruf und Freizeit haben. Sie arbeiten gern in Netzwerken und Teams. Für sie wird der Arbeitsplatz nicht notwendigerweise auch Arbeitsmittelpunkt sein, denn sie streben eher nach einer guten Work-Life-Balance. Viele von ihnen fügen sich ungern in hierarchische Organisationen ein und neigen dazu, Regeln zu hinterfragen. Gleichzeitig sind sie plausiblen Argumenten gegenüber aufgeschlossen. Sie akzeptieren eine Führungskraft nicht, weil sie älter und erfahrener ist, sondern wenn es ihr gelingt, sie zu verstehen, ernst zu nehmen und zu integrieren. Sie wünschen sich bei der Arbeit Herausforderungen, an denen sie wachsen können. Sie sind lernbereit und sollten genügend Möglichkeiten haben, ihren Wissensdurst zu stillen. Ihre Arbeitsaufgaben sollten anspruchsvoll sein, aber auch materielle Aspekte und Spaß bei der Arbeit sind wichtig. Nexters zeichnen sich nicht durch besondere Geduld aus, sondern wollen vieles und das möglichst schnell. Oftmals sind sie widersprüchlich, können zwischen gegensätzlichen Verhaltensformen hin und her springen, zeigen sich selbstbewusst und wünschen sich im nächsten Moment doch wieder Führung und Vorbilder. Sie sind unkonventionell und gleichzeitig traditionell, wenn es um die Insignien des materiellen Erfolges wie Auto, Familie und Haus geht. Authentizität ist für sie ein relevanter Wert. Sie möchten sich nicht „verbiegen“, um Erfolg zu haben. Sie benötigen aufgrund ihres Reifegrades eher eine direktive Führung, wünschen sich klare Vorgaben und Regeln, um sich leichter ins Berufsleben zu integrieren, aber auch eine Vision, an der sie sich ausrichten und orientieren können. Kommunikation per Email und SMS ist für sie selbstverständlich. Für persönliche Belange gilt natürlich auch bei den jüngsten Mitarbeitern, dass das persönliche Gespräch mit ihnen unerlässlich ist. Diese Generation wird gegenüber den Unternehmen weniger loyal sein als die Vorgängergenerationen.
Die Babyboomer (Jahrgang ab ca. 1955 bis ca. 1964)
Eine weitere Chance für die Führungskräfte liegt in der verstärkten Aktivierung und Mobilisierung der älteren Arbeitnehmer, die teilweise noch der Wirtschaftswundergeneration, aber hauptsächlich der Generation der Babyboomer angehören. Diese wird demnächst die älteste Generation im Unternehmen sein. Vor allem die Konstellation jüngerer Vorgesetzter und älterer Mitarbeiter kann aufgrund ihrer unterschiedlichen Prägungen potenzielle Konfliktherde mit sich bringen. Um eine gelingende Partnerschaft zwischen jüngeren Führungskräften und älteren Mitarbeitern zu erreichen, gilt es vor allem, mit den längst widerlegten Vorurteilen aufzuräumen, die sich in den Köpfen vieler Führungskräfte etabliert haben. (Näheres dazu finden Sie im Artikel „Ältere Mitarbeiter – Ressource oder Ballast“ von Wolfgang Reiber in diesem Newsletter.)
Die heute über 50jährigen Arbeitnehmernehmer, die sich in der Regel in ihrer späten Karrierephase befinden, sehen die Arbeitswelt deutlich anders als die jüngeren Generationen. Die Generation der Babyboomer ist Ende der 50er und in den 60er-Jahren sozialisiert worden, in denen Gehorsam, Pflichterfüllung und Leistungsorientierung eine wichtige Rolle spielten. Kritische Haltungen haben sich erst später in den 60ern entwickelt. Klassische Arbeitstugenden wie Ordnung, Pünktlichkeit und Loyalität spielen für die Babyboomer nach wie vor eine Rolle. Dennoch sind sie auch geprägt durch Strömungen wie Humanisierung der Arbeit, Mitbestimmung und die 68er Bewegung. In ihrer aktuellen Lebensphase haben sie materiell und inhaltlich vieles erreicht, so dass Besitzstandswahrung und Status bei ihnen eine wichtige Rolle spielen. Zusätzlich treten Fragen der Sinnfindung, der eigenen Wertigkeit sowie Selbstbestimmung in den Vordergrund. Umso dramatischer erleben es die Älteren, wenn ihre Leistungen vom Management nicht mehr gewürdigt, ja sogar als entbehrlich eingeschätzt werden. Sie legen Wert darauf, in der Organisation mit ihrer Erfahrung ernst genommen und an Denk- und Entscheidungsprozessen beteiligt zu werden. Sie sind Neuerungen gegenüber durchaus aufgeschlossen, wenn sie die Sinnhaftigkeit einsehen und diese in ihrem eigenen Stil und in ihrer eigenen Geschwindigkeit mitgestalten können. Sie benötigen Kontakt zu jüngeren Kollegen, um ihr Wissen weiter zu geben und auch selbst aktuell zu halten. Hier kann die Führungskraft moderierend unterstützen.
Schlussfolgerungen für die Führungskräfte
Die Führungskräfte können die Generationenzugehörigkeit als einen zusätzlichen Indikator dafür nutzen, welches Führungsverhalten und welcher Führungsstil für den jeweiligen Mitarbeiter angemessen sind. Dabei sollten die Mitarbeiter aber nicht in Schubladen gesteckt, sondern in ihrer Individualität, unterschiedlichen Leistungsfähigkeit und ihrem spezifischen Arbeitsstil beachtet werden. Die Spreizung der Generationen wird jedoch von den Führungskräften in Zukunft noch mehr Flexibilität verlangen. Was für einen jüngeren Mitarbeiter passt, muss für einen älteren Kollegen nicht richtig sein. Wenn Arbeitsaufgaben nicht nur unter dem Qualifikationsaspekt, sondern auch nach der körperlichen Leistungsfähigkeit verteilt werden, kann die Führungskraft den Mitarbeitern eher gerecht werden. Geht es um Genauigkeit und sorgfältiges Abwägen bei Entscheidungen, wird eher dem Älteren der Vorzug zu geben sein. Das Wissen über die Unterschiedlichkeit der Generationen gibt Hinweise für ein motivierendes und der Generation angemessenes Führungsverhalten.
Generationengerecht führen bedeutet auch den Ausgleich zwischen den Generationen herzustellen. Hier ist die Führungskraft in der Rolle des Moderators, Mediators und Vermittlers gefragt, der die unterschiedlichen Interessen seiner Mitarbeiter im Führungsalltag beachtet und als legitim kommuniziert, auch wenn diese anderen Wertestrukturen als der eigenen entstammen. Die Führungskraft sorgt für gegenseitiges Verständnis und baut Berührungsängste ab.