Wenn Sie mit wenig Aufwand eine neue Qualität in Ihre Meetings hineinbringen wollen, helfen ein paar kleine Kniffe aus dem Design Thinking, einer kreativen Innovations-methode. Langfristig verändern Sie damit sogar die Besprechungs-Kultur, und die Zusammenarbeit wird sich zu einem lösungsorientierten, beschwingten und ergebnisreichen Zusammenspiel verändern.
Das ist natürlich noch lange kein Design Thinking. Weder im Ziel noch im Prozess. Es sind jedoch genau die im Folgenden beschriebenen Kleinigkeiten, die das Design Thinking so erfolgreich machen. Vielleicht ist diese Prozess-Methode daher so stark in aller Munde und findet in namenhaften Unternehmen Einzug. Die Design Thinker machen es anders: interdisziplinär, ohne Hierarchie, erkundend und spielerisch - dabei mit einem enormen Output, der in wenigen Prototypen mündet, um dann eine neue, innovative Lösung für ein Problem zu finden.
Im Grunde wollen wir in Meetings nichts anderes. Wir wollen mitdenken, Ideen entwickeln und Lösungen schaffen - und dass eine Idee auch die Chance erhält, ausprobiert zu werden. Wenn es schief geht, wollen wir daraus lernen. Kaum einer möchte seine wertvolle Lebenszeit in langwierigen, ergebnislosen Meetings mit Rangordnungsspielen verbringen. Viel eher wollen wir voran kommen, Ergebnisse sehen, loslegen.
Wie das möglich wird, zeigen uns kleine Kniffe, die auch die Design Thinker in ihren Ideenfindungs-Prozessen erfolgreich anwenden:
1.Lassen Sie den Advocatus Diaboli erst einmal vor der Türe!
Kennen Sie das? „Ich spiele jetzt mal nur kurz den Advocatus Diaboli…“ Das ist der sichere Tot eines jeglichen Kreativ-Prozesses. Ja, ein System sucht nach Ausgleich. Und wenn alle begeistert sind, findet sich immer einer, der für den Advocatus Diaboli wunderbar eintritt. Es gibt meist einen Haken, etwas, das man übersehen hat oder eine Schwierigkeit, die sofort auf der Hand liegt. Logisch, so ist unsere Welt - von allem existiert eine Kehrseite. Lassen Sie sich überraschen, was passiert, wenn Sie diesen Advocatus Diaboli in Ihnen einfach einmal vor die Türe stellen während des Meetings. Er ist ja dadurch nicht für immer verbannt, er hat nur gerade einmal Sendepause. Sie werden spüren, wie die Energien im Raum sich verändern, wie die Lust am kreativen Gespräch sich ausbreiten kann und wie Sie selbst auch uneingeschränkter denken können. Der Advocatus Diaboli hat dann zu einem späteren Zeitpunkt wieder seine Berechtigung: wenn es darum geht, eine Idee oder Lösung auf Herz und Nieren zu prüfen. Warten Sie damit aber noch etwas, bis dieses „Neue“ tatsächlich ausprobiert wurde, denn manchmal liegen die Lösungen im Ungewöhnlichen, Undenkbaren. Und der kleine Bruder vom Advocatus Diaboli namens „Hab-ich’s-doch-gewusst!“ wird bitte komplett aus dem Vokabular gestrichen. Der ist nämlich wirklich überhaupt nicht hilfreich.
2.Bringen Sie ein „echtes“ Problem ein!
Ihre Meetings laufen nicht so? Es sind keine Treffen für kreative Ideenfindungen? Das liegt wahrscheinlich daran, dass keine „echten“ Probleme eingebracht werden. Bringen Sie in Meetings nur die Themen ein, die Ihnen wirklich wichtig sind. Von denen Sie denken, dass sie die Organisation / das Projekt / das Team etc. weiter bringen. Themen einzubringen, für die Sie bereits eine Lösung haben, ist verschwendete Zeit. Hier gilt es nämlich meist nur, das Ok vom Vorgesetzten einzuholen, was durchaus bilateral stattfinden kann. Dafür müssen nicht alle im Meeting sitzen. Es sei denn, Sie spekulieren auf eine bessere Lösung und sind auch bereit, sie statt Ihrer eigenen umzusetzen und im Gespräch nicht nur Ihre eigene Idee zu verteidigen. Grundregel ist also, nur Themen einzubringen, die Relevanz haben und für die Sie das Team auch wirklich brauchen. Und natürlich Themen, an denen Sie auch tatsächlich etwas ändern wollen. Dann sind Sie nämlich nach dem Meeting auch dankbar, einen Schritt weiter gekommen zu sein und haben das Gefühl, dass es ein sinnvolles Treffen war.
3.Stehen Sie auf!
Das alles dauert Ihnen meist zu lange? Den ganzen Tag in Meetings sitzen ist nicht nur mental anstrengend, sondern auch körperlich. Die zunehmenden Haltungsschäden sprechen für sich. Stehen ist viel gesünder für den Rücken und regt ganz nebenbei auch noch die Fettverbrennung an. In den agilen Scrum-Meetings, die in der IT-Entwicklung gängig sind, ist es völlig normal zu stehen. Sie dauern meist auch nur 15 Minuten (täglich), um sich abzustimmen, einen Prozess-Review zu machen und selbständig das nächste Arbeitspaket mitzunehmen. Stehen kürzt ab. Unweigerlich werden Sie anfangen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Monologe werden weniger und da es nicht bequem ist, lehnt sich dabei auch keiner zurück. Die Design Thinker wechseln ihre Modi: sie stehen, sitzen und gehen im Raum umher. Die Arbeitsergebnisse hängen immer an den Wänden und so geht man „im Thema spazieren“. Neurowissenschaftler wissen es schon lange: äußere Bewegung schafft innere Bewegung. Also gehen oder stehen Sie mal während sie meeten!
4.Visualisieren Sie!
Arbeitsergebnisse hängen an den Wänden? Ganz schön viel Text, denken Sie vielleicht. Wie soll sich da noch einer auskennen. Wir sind von der Arbeitswelt meist so geprägt, dass gute Struktur wichtig ist. Chaos ist unerwünscht. Wir arbeiten auf unseren wenigen Quadratmetern an einem Tisch, meist im Großraum, vielleicht auch noch an einem 6-er-Tisch. Uns auszubreiten haben wir verlernt. Etwas an die Wände zu hängen auch. Und zu malen sowieso. Jetzt kommen die Design Thinker daher und malen! Tatsächlich, sie visualisieren, wenn möglich, alles in Bildern. Die ganzen Wände hängen voll davon. Dann gehen sie herum und kommentieren alles mit Post-Its, die dazu geklebt werden. Natürlich wertschätzend und lösungsfokussiert. Maxime ist: alles weiter zu denken, die Ideen der anderen aufzugreifen und das Eigene hinzuzufügen. So entstehen die wertvollen Synergien. Probieren Sie es aus! Hier gewinnt keiner einen Schönheitspreis für die Detailgenauigkeit von Strichmännchen oder Symbolen. Malen kann jeder! Sie werden spüren, wie das Visualisieren Sie und das ganze Team auf andere Pfade bringt. Denn hier arbeiten die rechte Gehirnhälfte und unser Emotionszentrum voll mit!
5.Vergessen Sie für einen Moment die Hierarchie!
Das ist ja alles gut und schön, aber meist setzt sich ja doch die Idee des Vorgesetzten durch, denken Sie. Sie haben Recht: „Die Chancen, dass sich eine Idee durchsetzt, steigen linear mit der hierarchischen Position des Ideengebers“, haben die „Durch-die-Decke-Denker“ (Literatur-Tipp siehe unten) Juergen Erbeldinger und Thomas Ramge herausgefunden. Das ist für Unternehmen fatal. Denn es bedeutet, dass sich nicht immer die beste Idee durchsetzt. Dadurch geht sowohl monetär als auch innovativ vieles verloren. Und das Schlimmste ist, dass es Mitarbeiter zudem frustriert und demotiviert. Chefs, die es schaffen, sich als Begleiter in diesen Kreativ-Prozessen zu sehen, mit der Absicht, die beste Lösung zu finden, tragen enorm zum guten Arbeitsklima bei. Und bereichern dabei nicht nur die Mitarbeiter und sich selbst (ideell), sondern auch das Unternehmen (tatsächlich). Es braucht dafür genauso Mitarbeiter, die mutig und flexibel sind, sich darauf einzulassen, dem Chef auf Augenhöhe zu begegnen.
6.Machen Sie Pausen!
Die besten Ideen kommen Ihnen unter der Dusche oder beim Joggen? Dann sind Sie kein Einzelfall. Sobald das Gehirn mit einem Problem gefüttert ist, filtert es aus der Umgebung und aus Ihrer Erfahrungswelt Assoziationen und Informationen, die dazu passen oder die dazu neu kombiniert werden. Das passiert einfach so. Das Wesentliche, was es dazu braucht, ist a) Sie haben das Problem umfassend verstanden und b) Sie gönnen sich Pausen. Tun sie bewusst etwas anderes. Geeignet dafür sind sowohl ein Spiel mit dem Kicker als auch eine Runde Gehen im Park oder ein lustiges Kombinationsspiel. Sie können auch einfach den Flur auf und ab gehen und pro Minute eine Skizze malen, zu dem, was Ihnen in den Sinn kommt. Völlig ziellos. Das Ziel ist nämlich schon in Ihnen programmiert. Daher ist es auch nicht erstaunlich, dass die Lösung beim Joggen oder Duschen kommt. Zugegeben, während eines Meetings sind letztere Dinge eher ausgeschlossen, aber vielleicht teilen Sie Problemverstehen und Lösungsfindung in zwei Meetings auf - dann könnte sogar das funktionieren.
7.Halten Sie die Nase in den Wind!
Wie versteht man ein Problem eigentlich umfassend? Brauche ich dazu alle Details? Wir sind es gewohnt, dass im Business Genauigkeit gefragt ist. Eine perfekte Analyse sei die halbe Lösung, glauben wir und tatsächlich: das Problem zu verstehen ist die Grundvoraussetzung für eine gute Lösung. Jedoch ist damit nicht gemeint, alle möglichen Vergangenheitsdaten heranzuziehen oder etwas hoch und runter zu kalkulieren. Auch eine Befragung der Zielgruppe ist nicht immer hilfreich. Henry Ford wird zitiert mit der Aussage, wenn er seine Kunden gefragt hätte, was sie sich wünschten, hätten sie geantwortet: schnellere Pferde. Damit entstehen keine disruptiven Innovationen. Die Antwort ist: Beobachten ist Trumpf! Durch Beobachtung lerne ich, wo Prozesse haken, wo der Fluss ins Stocken gerät und wo Veränderungen hilfreich werden könnten. Und nicht nur das bloße Sehen ist damit gemeint, sondern das Spüren, Hineindenken und Hineinfühlen in die Welt des Anderen. Mit allen Sinnen. Dafür muss ich raus gehen - zum Ort des Geschehens, die Nase in den Wind halten!
8.Bringen Sie sich GANZ ein!
Ist das nicht etwas zu viel verlangt? Das ist ja nun wirklich kein Meeting mehr, wenn ich „raus gehe“ zum Ort des Geschehens und mit allen Sinnen beobachte…! Stimmt, das ist kein klassisches Meeting mehr. Genau darum geht es: erweitern Sie den Horizont. Informationen nehmen wir nicht (nur) in Meetings auf. Eine Ortsbegehung kann manchmal aufschlussreicher sein als mehrere Meetings. Genauso wie es einen Unterschied macht, sich voll und ganz einzubringen, mit allen Sinnen. Als vollständiger Mensch, „holistisch“, wie man so schön sagt und es dann doch nicht tut, weil gar nicht klar ist, was das eigentlich bedeutet. Ganzheitlich heißt, ich bin da mit allem, was mich ausmacht: meinem Wissen genauso wie meinem Herz, meinen Geschichten und Erfahrungen genauso wie mit meinen Gefühlen, meinen inneren Bildern genauso wie mit meinem Körper. Wir erhalten ständig Informationen aus unserem Körpersystem, das uns zurückmeldet, ob uns etwas „schmeckt“ (im übertragenen Sinne), und ob uns etwas wirklich berührt. Dann, wenn es im Design Thinking Prozess aus einer inneren Betroffenheit heraus ganz still wird oder wenn so richtig Flow entsteht und alles Fahrt aufnimmt, sind wir an einem entscheidenden Punkt gelandet. Kennen Sie das aus Meetings? Viel zu selten, nehme ich an. Beteiligen Sie sich als ganzer Mensch und Sie werden solche Momente auch häufiger erleben!
*Es geht hier nicht um kurze Abstimmungs-Meetings, sondern um Meetings, die zur Ideenfindung beitragen, in denen Probleme besprochen werden und die dazu dienen, etwas weiter voran zu bringen.
Literaturtipps:
Erbeldinger, J., Ramge, T. (2015): Durch die Decke denken - Design Thinking in der Praxis. Redline Verlag München
Gürtler, J., Meyer, J. (2014): 30 Minuten Design Thinking. GABAL Verlag Offenbach