Ein nicht nur, aber auch in Organisationen gängiges Verständnis der Beziehung von Sach- und Gefühlsebene drückt sich in dem Satz aus: „Hauptsache man bleibt sachlich und es wird nicht emotional.“ Der dahinter stehende Gedanke, dass der Sachprozess empfindlich leidet, wenn insbesondere negative Emotionen ins Spiel kommen, ist dabei unter anderem in der Weise handlungswirksam, dass das beginnende Aufscheinen negativer Emotionen unmittelbar die Tendenz auslöst, diese mit einem bisweilen extra forcierten „Bei-der-Sache-Bleiben“ (was auch immer gerade darunter verstanden wird) niederzuhalten, um nicht - so offenbar die Befürchtung – vom rechten Weg abzukommen und in einem ebenso dunklen wie unheilschwangeren Sumpf des Persönlich-Gefühlig-Affektiven zu versinken. Ein guter Sachfortschritt und (negatives) „Emotionalwerden“ scheinen sich also zu beißen oder sogar auszuschließen; und dies glauben selbst viele von denjenigen, die das Wort „emotionale Intelligenz“ absolut flüssig über die Lippen bringen und die sich sogar schon vor der Lektüre entsprechender Schriften die Wichtigkeit vom Spaß bei der Arbeit nicht ohne Inbrunst auf die Fahnen geschrieben haben.
Wahr – allerdings auch keiner besonderen Erwähnung wert – ist dabei unbestreitbar, dass es in organisationalen und anderen zielbezogenen Kontexten primär um das Vorangehen der jeweils relevanten Sachprozesse und daran gekoppelt um das Erreichen der jeweiligen Ergebnisziele geht bzw. gehen sollte. Die „Hauptsache-sachlich-und-nicht-emotional“-Theorie hat also zumindest in ihrem ersten Teil den Charme und die Gültigkeit von Aussagen über weiße Schimmel und unverheiratete Junggesellen. Dies ist dann allerdings auch schon das Beste, was sich über diese Theorie sagen lässt; denn bei Lichte betrachtet verleitet sie zu Handlungsweisen, die dem propagierten Ziel deutlich zuwiderlaufen. Werden nämlich bestimmte negative Gefühle und Stimmungen so stark, dass sie den „normalen Gang der Dinge“ torpedieren, dann ist eines auf jeden Fall klar: nämlich, dass sie – abgesehen von allen sonst bestehenden inhaltlichen Zusammenhängen – zumindest insofern etwas mit dem Sachprozess zu tun haben, als sie diesen gerade machtvoll beeinträchtigen und im Extremfall sogar zum Erliegen bringen können. Solchen Barrieren dann durch gut meinendes Wegsehen und „Weiter-im-Text“ zu begegnen ist aber mit größerer Wahrscheinlichkeit nicht der bestmögliche Weg zum bestmöglichen Sachergebnis. Hinzu kommt, dass zielorientierte Handlungen gemeinhin erst dann Souveränität und Kraft gewinnen, wenn sie mit innerer Beteiligung und das heißt mit Emotionalität passieren. Mit dem „Hauptsache-sachlich-und-nicht-emotional“-Fokus legt man sich also letzten Endes auch auf eine eher laue, wenn auch scheinbar gut abgesicherte Mittelmäßigkeit fest.
Der Grund für all dies ist nicht neu: Die mangelnde Kompetenz im Umgang mit Emotionen führt zur Furcht vor ihnen, die wenig kompetentes Verhalten im Umgang mit ihnen erzeugt, dessen Ergebnisse dann die Furcht vor dem Emotionalen wiederum nähren ... Was dagegen hilft, sind weniger wohlklingende Theorien, sondern eher praktische Haltungen und Tätigkeiten: Haltungen und Tätigkeiten, in denen Emotionen sinnvoll und konstruktiv begegnet wird und die zu positiven Erfahrungen führen, die zu weiterem ähnlichem Erfahrungensammeln ermutigen. Skizziert werden im folgenden einige Strategien, die einen konstruktiv(er)en Umgang mit Emotionen erleichtern können – allesamt Klassiker, so ehrwürdig und alt wie das Problem, um das es geht, nur leider viel seltener vorfindbar.
3 Strategien, um Druck aus eigenen negativen Emotionen zu nehmen
(1.) „Ich muss nicht total souverän sein, um auf Kurs bleiben zu können.“
Niemand ist permanent souverän, gelassen oder cool. Es wird immer mal wieder Situationen geben, in denen man Ärger, Wut, Ohnmacht oder dergleichen empfindet und solche Gefühle und Stimmungen führen naturgemäß zu unter Umständen größerer innerer Erhitzung. Von sich dann zu verlangen, dass man sich nach außen nichts, aber auch rein gar nichts anmerken lasse, dass man „total souverän und gelassen“ zu bleiben und das Gefühl am besten sofort abzustellen habe, ist so ziemlich das beste Mittel, die Stimmung weiter anzuheizen und die Chance auf kompetentes Handeln weiter zu reduzieren. Das Gefühl zuzulassen heißt umgekehrt, sich einzugestehen, dass man sich gerade in einer negativen Stimmung befindet, sich zu erlauben, dass das eigene Handeln jetzt wahrscheinlich nicht der Inbegriff von performativer Exzellenz sein wird und sich zu sagen: „Auch wenn das, was ich tue, jetzt gerade keinen 100% und wohlmöglich noch nicht mal einen 89,9%igen-Souveränitäts-Indikator erfüllt und auch wenn man mir meine stärkeren negativen Gefühle anmerken sollte (vielleicht sogar deshalb, weil ich sie direkt anspreche), reicht es, um einigermaßen klar auf Kurs zu bleiben, immer noch voll aus.“ Sich Unvollkommenheit zuzugestehen, in Situationen, in denen man mit Sicherheit nicht vollkommen auftreten wird, ist nicht mehr als eine kleine Prise Weisheit, die einem die große Chance eröffnet zu bemerken, dass man selbst mit eingeschränkten Kapazitäten noch hinreichend handlungsfähig bleibt.
(2.) „Meine Perspektive ist bloß eine Perspektive und je weniger ich gerade andere Perspektiven als plausibel erkenne, um so mehr sollte ich nach ihnen Ausschau halten.“
Negative Emotionen neigen dazu, unser Blickfeld zu verengen: je größer der Affekt, desto größer wird der Tunnelblick. Ist man erst mal so richtig gut in Rage, dann ist es weniger eine Frage von Phantasie oder Intellekt, als schlicht eine (kleine) selbstdisziplinierende Kraftanstrengung, sich ernsthaft zu fragen, wie die Situation, die einen so erregt, vielleicht noch erklärbar sein könnte neben der Interpretation, die sich einem gerade so sehr aufdrängt. Je mehr man dabei denkt, dass es doch gar nicht anders sein könne als ...“, umso mehr sollte man dies als Grund werten, sich auf die Suche nach anderen plausiblen Sicht- und Erklärungsweisen zu begeben. Gemeinhin rufen diese dann auch andere Gefühle und Wertungen hervor. Und dies gilt natürlich genauso auch für perspektivische Relativierungen der gesamten Situation. Fragen wie „Wie wichtig ist mir die Sache eigentlich wirklich? Wie werde ich wohl in 5 Jahren darüber denken? Was werde ich wohl in der Rückschau für einen guten Umgang damit erachten?“ können helfen, ein deutlich entspannteres Verhältnis zu so manchem Kleinscharmützel zu bekommen.
(3.) „Wenn ich an der Grenze bin, bin ich an der Grenze.“
Es ist gut zu spüren, wann der Punkt erreicht ist, bei dem einem ein sinnvolles (= zumindest halbwegs vernünftiges, konstruktives, zielführendes) Handeln nicht mehr möglich ist. Es ist dann an der Zeit, für eine wenigstens kleinere Auszeit zu sorgen (eine Pause, „eine Nacht drüber schlafen“, ein paar Tage Abstand ...) und dies am besten in gegenseitigem Einvernehmen mit dem / den anderen Beteiligten. Es über den Punkt des persönlichen Limits hinaus weiter zu treiben, mag zwar das eigene Gewissen beruhigen, außer zunehmender Erschöpfung bringt es aber wenig und verschlechtert eher noch die Gesamtsituation. Von sich zu wissen, dass man persönliche Grenzen (die eigenen und idealerweise auch noch die der anderen) respektiert, stärkt umgekehrt aber Kraft und Sicherheit für die eigene Handlungsgestaltung. Und was für die einzelne Situation gilt, gilt auch für das größere Ganze. Wenn man sich notorisch über das eigene Limit hinaus belastet, ist es nicht erstaunlich, dass z.B. auch die allgemeine Reizbarkeit steigt und man gehäuft mit schlechten und aggressiven Stimmungen zu tun hat, die ihrerseits die Belastung noch erhöhen. Eine balancierte Lebensführung, ein Gut-mit-sich-Umgehen und das vernünftige Beachten eigener Grenzen schaffen daher die Voraussetzungen, um gar nicht erst über Gebühr oft in ausgeprägt negative Affektlagen hineinzurutschen.
3 Strategien, um Druck aus emotionalen Reaktionen von Handlungspartnern zu nehmen
(1.) „Je mehr ich den anderen wirklich verstehe, um so weniger muss er Druck entfalten.“
Eines der besten Mittel, um Gereiztheit, Ärger, Wut usw. bei anderen weiter zu steigern, ist diese Gefühle zu ignorieren, sie in Abrede zu stellen („Sie sind doch gar nicht unzufrieden ...“) oder sie als unangebracht zu bezeichnen („Statt sich zu ärgern, sollten Sie lieber mal dankbar sein ...“). Ebenfalls auf der Hitliste der negativen Affektverstärker findet sich das vorschnelle Erteilen gut gemeinter Ratschläge oder Belehrungen („Da sollten Sie mal diesen Knopf auf der Rückseite da drücken.“ Oder besser noch: „Da hätten Sie aber unbedingt diesen Knopf auf der Rückseite mal drücken müssen!“). Es ist ebenso so einfach wie folgenschwer: Wer gravierende negative Emotionen eines anderen entwertet, fordert den anderen geradezu heraus, diese Emotionen mit noch mehr Nachdruck weiter zu entfalten. Für gewöhnlich funktioniert die sich hier zeigende „Psychomechanik“ allerdings auch umgekehrt: Dem anderen durch wertschätzendes Zuhören, explizites Verständnisausdrücken oder ganz einfach Präsenz zu signalisieren, dass man die von ihm empfundenen Gefühle des Ärgers, der Wut, des Zorns etc. nachvollziehen kann, nimmt für gewöhnlich bereits deutlich Druck aus diesen Reaktionen – vorausgesetzt der andere spürt, dass das gezeigte Verständnis ernsthaft und echt ist und nicht bloß rhetorisch oder gespielt (was eine weitere wirksame Möglichkeit der Affektverstärkung darstellt). Natürlich fällt es dabei nicht eben leicht, das pure Verständnis auszudrücken, wenn man gerade mit heftigen Emotionen des anderen konfrontiert wird. Helfen kann es aber zu versuchen, ein wenig die Perspektive des anderen einzunehmen („Wie würde ich mich wohl fühlen, wenn ...“), zu schauen, wo man wenigstens in Teilpunkten die Reaktion des anderen nachvollziehbar findet (ohne den Rest dann wieder zu entwerten) und zu bemerken:
(2.) „Was meiner Rolle gilt, gilt damit nicht automatisch mir persönlich.“
Im Laufe der Zeit bekommt man so Manches ab, auf das man eigentlich auch hätte verzichten können: Vorwürfe, Beleidigungen, Herabwürdigungen, Entwertungen, Attacken usw. Einiges davon ist tatsächlich auf einen persönlich bezogen; nicht Weniges gilt aber bei Lichte besehen weniger der eigenen Person als vielmehr der jeweiligen Rolle, die man wahrnimmt und in der man wahrgenommen wird: der Rolle als Chef, als Verfechter eines bestimmten Konzepts, als Vertreter eines anderen Bereichs, als Repräsentant einer bestimmten Gruppe, als Verkäufer, als Vater oder Mutter usw. Je mehr es einem dann gelingt zu differenzieren, was der erforderlichen und eher funktionalen Rollenausübung und nicht dem ja schon grundgesetzlich geschützten „Mir-selbst-und-höchst-Persönlich“ gilt, um so eher kann es einem gelingen statt (und sei es auch nur unbewusst) dagegen zu halten, auf den anderen einzugehen und dabei einigermaßen gelassen und konstruktiv zu bleiben. Umgekehrt gehört es wiederum zu den ganz besonders wirkungsvollen Affektverstärkern, möglichst alles, was auch nur entfernt negativ deutbar ist, als möglichst frontal gegen die eigene Person gerichtet zu interpretieren. Wer sich hierauf versteht, darf nicht nur eine grandiose Naivität, sondern vor allem auch ein spannendes Dasein sein eigen nennen.
(3.) „Wenn ich entdeckt habe, was das legitime Bedürfnis des anderen ist, kann ich etwas dazu beitragen, dass es befriedigt wird.“
Hinter Emotionen stecken Bedürfnisse, manchmal verletzte Bedürfnisse oder Bedürfnisse, die drohen, verletzt zu werden. Und auch wenn es einem gelegentlich geradezu abwegig erscheint: Hinter jeder Emotion – wie krass, heftig oder abstoßend sie sich auch immer gerade darstellen sollte – steckt zumindest auch ein legitimes Bedürfnis. Dies ist nicht immer leicht zu erkennen, selbst für denjenigen nicht, der die Emotion erlebt. Je heftiger gerade negative Emotionen werden, um so verzerrter und entstellter kann der Ausdruck des dahinter liegenden Bedürfnisses ausfallen. Nichtsdestotrotz: Kaum etwas anderes ist so sehr dazu angetan, Druck eines emotional aufgebrachten Gegenübers konstruktiv zu reduzieren, wie das ernsthafte und konsequente Bemühen, einen Beitrag dazu zu leisten, das eigentliche Bedürfnis des anderen zu befriedigen. Dies setzt allerdings voraus, dass man zumindest im Laufe der Begegnung mit dem anderen dessen eigentliches / legitimes Bedürfnis auch erkennt. Und dies wiederum setzt voraus, dass man eine Haltung einnimmt, die zwar meistens produktiv, aber gerade, wenn die Wogen hoch gehen, nicht immer ganz einfach zu realisieren ist, nämlich die Haltung zu erkunden, welches das legitime Bedürfnis des anderen ist (und nicht, ob es überhaupt – was im Ernst nicht zu glauben ist - ein solches Bedürfnis geben könnte).
3 Strategien, um negative Emotionen intelligent zu nutzen
(1.) „Was sagt mir das Gefühl darüber, was mir gut tut?“
Emotionen sind hoch-komplexe Informationen. Sie sagen uns in ganzheitlicher, erlebnismäßig verdichteter Form, wie angenehm oder unangenehm, wie anziehend oder abstoßend, wie gut oder wenig gut etwas für uns ist und lösen so gleichzeitig bestimmte Handlungsimpulse in uns aus. Emotionen bieten uns also psycho-physisch unmittelbar spürbare und motivational wirksame Rückkopplungen darüber, wie es uns in unserer jeweiligen Umgebung gerade geht. Nun wissen wir natürlich, dass nicht alles, was wir im Moment gerade angenehm finden (z.B. das siebte Glas Champagner) auch gut für uns ist, und nicht alles, was wir im Moment unangenehm finden (z.B. den wieder fälligen Zahnarztbesuch) auch schlecht für uns ist. Wir haben die Fähigkeit entwickelt, kurz- und längerfristige Effekte für unsere Bedürfnisbefriedigung zu unterscheiden, und diese Fähigkeit macht einen wesentlichen Teil von Vernunft und Erwachsensein aus. Auch wenn wir so aber unseren spontanen Gefühlen aus gutem Grund nicht immer 1:1 folgen, so sollten wir doch, gerade wenn wir sehr ausgeprägte, immer wiederkehrende oder sich zunehmend verstärkende negative Gefühle haben, der Frage nachgehen, welchen Hinweis uns diese Gefühle bezogen auf uns selbst geben: „Wie gut oder schlecht geht es mir eigentlich mit diesem Gegenüber, dieser Arbeit, diesem Umfeld ... Was sollte ich hier – vielleicht auch in mir selbst – möglicherweise klären oder ändern, um zu einer guten und für mich befriedigenden und gesunden Balance (zurück) zu finden? Welche Konsequenzen sollte ich hier gegebenenfalls ziehen?“ Indem wir uns solche und ähnliche Fragen stellen, tun wir nichts anderes als für uns selber ernst zu nehmen, dass Emotionen zumindest immer auch mit legitimen Bedürfnissen verwoben sind, die nicht zu berücksichtigen nicht wirklich intelligent wäre.
(2.) „Was sagt mir das Gefühl über die Situation und mein Gegenüber?“
Indem Gefühle uns komplexe Informationen darüber geben, wie etwas oder jemand für uns ist, können wir den Blick ebenso wie nach innen natürlich auch nach außen wenden und uns fragen, was das Gefühl uns eigentlich gerade über unsere(n) Handlungspartner oder die gegenwärtige Situation sagt. Haben wir z.B. das sich verstärkende Gefühl, dass es in einem bilateralen Gespräch reichlich zäh und beschwerlich ist, so können wir getreu der Devise „Hauptsache-sachlich-bleiben-und-nicht-emotional-werden“ uns weiter Millimeter für Millimeter durch das Problemfeld quälen und irgendwelche Maßnahmen verabreden (von denen wir dann wahrscheinlich hinterher feststellen können, dass sie sowieso nicht tragfähig umgesetzt werden) oder wir können unser Gefühl intelligent nutzen, z.B. in Form der Frage, ob es da noch etwas anderes gibt, was unser Gegenüber gerade beschäftigt oder besorgt. Alternativ können wir natürlich auch zum Ausdruck bringen, dass wir im Moment nicht eben den Eindruck haben, dass es wirklich flüssig läuft und unser Gegenüber fragen, ob er es ähnlich erlebt, und falls ja, so können wir gemeinsam mit ihm schauen, woran es eigentlich hängt. Gefühle in dieser Weise zu nutzen bedeutet, etwas von ihnen publik zu machen; nicht unbedingt den ersten Impuls „Sie blocken ja, Sie Idiot!“, wohl aber das, was als Wahrnehmung oder Frage damit verbunden ist, wenn wir unser Gefühl als situative Information betrachten und konstruktiv einsetzen wollen.
(3.) „Welche Chance eröffnen diese negativen Gefühle für unsere Beziehung?“
Negative Gefühle in Beziehungen sind ein Indikator für Konflikte. Nach der „Hauptsache-man-bleibt-sachlich“-Theorie lösen solche Gefühle eine besonders starke Tendenz „Jetzt-bloß-nicht-emotional-zu-werden“ aus, da sie als ganz besonders bedrohlich gelten. Faktisch entsteht dann oft ein Wechsel zwischen dem mühevollen Versuch, die „persönlichen Themen“ auf jeden Fall zu umschiffen und mehr oder weniger heftigen plötzlichen Eruptionen, in denen sich die unter dem Teppich gehaltenen Emotionen Luft verschaffen. Und auch wenn derartige Verhaltensvarianten nur in den seltensten Fällen zu wirklich befriedigenden Konfliktlösungen führen, so können wir uns doch immerhin mit der Reduzierung des Konfliktlösungsarsenals auf die zwei Grundstrategien Angriff und Flucht im besten Einklang mit unseren evolutionsgeschichtlichen Urahnen sehen. Auf der anderen Seite hat wahrscheinlich jeder von uns schon irgendwann mal die Erfahrung gemacht, dass eine Beziehung – egal ob eine private oder eine geschäftliche – durch die konstruktive Klärung von Konflikten in ihrer Qualität noch deutlich gewinnen kann. Verursacht wird die Beziehungsverbesserung dabei gleichermaßen durch das Was als auch das Wie der Klärung, also einerseits dadurch, dass etwas Wichtiges und Strittiges bereinigt werden konnte und zum anderen dadurch, dass man erlebt hat, dass man, selbst wenn es zunächst größere und durchaus heftiger ausgetragene Differenzen gibt, man letztlich wertschätzend und fair miteinander umgehen kann. Diese Erfahrung setzt allerdings voraus, dass man sich den emotional geprägten Differenzen auch tatsächlich stellt, und dieses Sich-Stellen ist in den wenigsten Fällen nur angenehm.
Auch negative Gefühle für die Beziehungsgestaltung zu nutzen kann daher gewiss nicht bedeuten, sich gleichsam zu freuen, wenn sie in einer Beziehung endlich auftreten. Statt solche Gefühle und die mit ihnen verwobenen Konflikte aber als Bedrohung zu sehen, kann man zumindest im zweiten oder dritten Schritt versuchen sich folgendes klarzumachen: Da, wo Emotionen sind, besteht offenbar Relevanz und keine Gleichgültigkeit. Und was Relevanz und damit Bedeutsamkeit besitzt, das hat auch Energie. Die Frage ist dann nur, in welche Richtung sich diese Energie letztlich bringen lässt. Und genau hierin liegt das Potenzial: Der bei seiner Reklamation hoch verärgerte Kunde, der nach einigen Irritationen in letzter Zeit immer misstrauischer gewordene Kollege, das Team mit dem heftigen Widerstand gegen das begonnene Veränderungsprojekt – überall hier liegen auch Chancen; und wenn es gelingt, diese Chancen zu heben, ist die Wahrscheinlichkeit nicht gering, einen besonders treuen Kunden, ein besonders gutes kollegiales Vertrauensverhältnis und ein die wichtigen Ziele besonders vital vorantreibendes Team zu gewinnen.
Zwei Paradoxien und eine allgemeine Strategie zum Schluss
Gefühle gehören zu unserem Dasein – und dies gilt für die ganze Palette: Liebe, Hass, Lust, Unlust, Freude, Ärger, Wut, Enttäuschung, Stolz, Dankbarkeit, Ekel, Überraschung ... Das erste Paradox der Gefühle ist: je mehr wir sie festhalten wollen, weil wir sie gerade so positiv erleben, desto eher verlieren wir sie; je mehr wir sie abzustellen versuchen, weil wir sie gerade so negativ empfinden, desto länger leiden wir unter ihnen. Gefühle sind wie Wetterlagen: Sie kommen, bleiben eine Weile und gehen dann wieder. Über einige freuen wir uns, manche genießen wir sogar, andere mögen wir eigentlich weniger oder sie machen uns schwer zu schaffen. Alle aber haben ihre Funktion, und erst in ihrem Wechselspiel ermöglichen sie Wachstum und überhaupt Leben. Stärkere Gelassenheit unseren Gefühlen gegenüber bedeutet nicht Fatalismus. Wir können das Wetter nicht mutwillig ändern (auch wenn wir es mittlerweile unfreiwillig tun). Das zweite Paradox der Gefühle ist daher: Indem wir sie annehmen in dem, was sie gerade sind und uns sagen wollen, verändern wir sie. Wir verändern unser Verhältnis zu ihnen. Wir sind nicht das Gefühl, sondern wir haben es. Damit ist es aber auch nicht mehr das Gefühl, das uns beherrscht, was nicht bedeutet – dies wäre der alte Fehlschluss – dass wir nun das Gefühl beherrschen. Zwischen dem Ich und seinem emotionalen Erleben bleibt zumindest eine kleine Differenz. Indem wir diese Differenz schaffen, schaffen wir die Bedingung für eine produktive Gelassenheit und eine gute Spannung.