15. Dezember 2001

Teams und Teamführung in modernen Unternehmensstrukturen

Vorüberlegungen

Team- oder Gruppenarbeit als eine Form menschlicher Zusammenarbeit gibt es wahrscheinlich schon immer. Aber als ausdrückliches und anerkannt wichtiges Element moderner Arbeitsorganisation wird sie erst seit einigen Jahren empfohlen. Heute gibt es Projektteams, Task Forces, Arbeits-, Produktions- oder Prozessteams nahezu in allen Unternehmen, gleichgültig, ob es sich um einen Weltkonzern oder um einen kleineren Mittelständler handelt.

Ursache für den Siegeszug des Teamgedankens sind veränderte Umfeldbedingungen von Unternehmen und anderen Organisationen. Altbewährte Organisationsstrukturen geraten infolge notwendiger Anpassungsmaßnahmen in Bewegung. Scheinbare Gewissheiten werden dadurch fraglich, einstmals nicht hinterfragbare Ordnungen lösen sich teilweise auf. Teamarbeit ist ein Element der „neuen Ordnung“. Für die beteiligten Menschen wie für die Unternehmen bringen solche Veränderungen die Notwendigkeit mit sich, teilweise radikal umzudenken und umzulernen.

Tief verwurzelt in den Vor- und Einstellungen der Menschen finden wir nach wie vor Elemente früherer Leitbilder wie Militär, Bürokratie oder Technik. Diese Leitbilder sind untrennbar mit strikter Hierarchie und kleinteiliger Arbeitsteilung verbunden. Sie waren über viele Jahrzehnte auch äußerst erfolgreich. Mit der Strukturkrise der 80er Jahre begann auch die Krise tradierter Organisationsvorstellungen. Zunehmende Turbulenzen auf den Weltmärkten verlangten neue Formen der Zusammenarbeit, die eine größere Flexibilität sowie ein größeres Innovations- und Problemlösungsvermögen beinhalten. Gruppenarbeit wurde (wieder) entdeckt und vielerorts rasch eingeführt. Das Konzept bewährte sich auch in vielen Fällen, aber Enttäuschungen blieben nicht aus. Funktionierende Gruppenarbeit, zumal wenn sie unter dem Dach einer weiterhin notwendigen Hierarchie stattfindet, stellte sich als sehr voraussetzungsvoll heraus.

Nicht jede Aufgabe ist für ein Team geeignet. Und nicht alles, was sich Team nennt, ist tatsächlich eines. Wenn die Aufgabenstellung passt, die Umfeldverhältnisse unterstützend und die Bedingungen innerhalb des Teams günstig sind, braucht es immer noch Zeit, bis das Team seine mögliche Leistungsstärke voll entwickelt hat. Ist dafür zu wenig Geduld vorhanden, wird ein Rückfall auf alte Muster wie „ober sticht unter“ oder die Ausgabe von Einzelanweisungen wahrscheinlich. Oft werden solche Rückfälle als Entlastung empfunden: Bei den Führungskräften, weil diese Kontrolle zurückgewinnen und ihr Verhalten in Einklang kommt mit ihrem normalen Rollenverständnis, und auch bei Mitarbeitern, weil diese Verantwortung und emotionalen Stress durch die soziale Situation im Team abgenommen bekommen.

Die Führung von Teams ist eine ziemlich schwierige Angelegenheit. Sie ist nicht mit der Attitüde eines Würdenträgers in der alten Statushierarchie leistbar. Vielmehr handelt es sich um eine hoch professionell zu verrichtende Dienstleistungsaufgabe, die andere Werte, Orientierungen und Handlungsweisen verlangt. Persönlichkeit und soziale Kompetenz sind ebenso erforderlich wie hoch entwickelte Fachlichkeit und methodisches Rüstzeug.

 

Was ist das Besondere an Teamarbeit?

Wenn wir von Teamarbeit sprechen, meinen wir mindestens 3 und höchstens 10 Personen, die in direkter (face to face) Beziehung über eine längere Zeitspanne hinweg an einem gemeinsamen Ziel arbeiten. Dabei nehmen sie verschiedene Rollen wahr, sozial wie aufgabenbezogen. Das Team arbeitet selbst organisiert und (teil-) autonom. Bei der Aufgabenerfüllung sind die Teammitglieder voneinander abhängig, so wie bei einer Fußballmannschaft der Torwart auf seine Mitspieler angewiesen ist, wenn er das Spiel gewinnen will, und umgekehrt. Äußere Vorgaben betreffen i.d.R. nur die (Grob-) Ziele, die Ressourcen und Rahmenbedingungen. Das Team arbeitet auf der Grundlage gemeinsamer Normen und Spielregeln, es ist verbunden durch ein mehr oder weniger starkes „Wir - Gefühl".

Die typische Arbeitsweise eines Teams sieht von außen zumindest gelegentlich etwas chaotisch aus. Routinen gibt es kaum, weil sich Teams i.d.R. mit neuartigen Aufgabenstellungen beschäftigen. Gefühle spielen neben der Sache eine wichtige Rolle. Dadurch wird das Miteinander im Team farbig. Es geht nicht immer rational und logisch zu, häufig eher psycho – logisch. Aber gerade dadurch gewinnt das Team sein Leistungspotential.

In der Literatur werden „Team" und „Gruppe" meist unterschiedlich definiert. Wir möchten im Folgenden der Einfachheit halber beide Begriffe synonym verwenden.

Teams haben gegenüber herkömmlichen Formen der Zusammenarbeit große Leistungsvorteile, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Es liegt deshalb nahe, ihnen einen festen Platz im betrieblichen Alltag einzuräumen. Angesichts zunehmender und sich weiter beschleunigender Veränderungen im Umfeld (Globalisierung, Digitalisierung) bieten Teams einen Ort, wo motivierte Menschen besonders schnell und flexibel ihre unterschiedlichen Fähigkeiten, Erfahrungen und Kompetenzen zusammenbringen können, um neuartige Antworten auf neue und komplexere Problemstellungen zu finden.

 

Ein älteres Leitbild: Die "Organisationsmaschine"

Solche Überlegungen zum Stellenwert von Teams in Arbeitsorganisationen sind ziemlich neu. Frühere Vorbilder, vor allem für größere Organisationen, waren das Militär, die staatlichen Bürokratien oder auch mechanische Apparate wie Uhrwerke oder Maschinen. Kennzeichnend für sie sind strikte Rationalität, Ordnung und Berechenbarkeit, eine klare entweder–oder Logik, die im Zweifel hierarchisch entschieden wird, sowie geradlinige Anweisungs- und Berichtswege. Auf die Sache kam es an, Gefühle spielten keine (offizielle) Rolle. Ausgewiesene Fachleute (man könnte sagen: eine Art „Organisations-Uhrmacher“ oder „Organisationsingenieure“) waren für die Planung von Abläufen und von Zuständigkeiten verantwortlich. Die lange Zeit übliche und selbstverständliche Trennung zwischen Kopf- und Handarbeit hat hier eine Ursache.

Diese Operationsweise ließ keinen Raum für Teamarbeit. Jeder hatte im Rahmen seiner Stellenbeschreibung zu funktionieren, alles Weitere ging ihn nichts an. Einzelarbeit herrschte vor, die nach den Plänen der „Organisationsingenieure" zusammengesetzt war („ein Rädchen greift in's andere"). Im Produktionsbereich galt dies besonders konsequent, im Vertriebs- und Verwaltungsbereich mehr oder weniger eingeschränkt.

Die Übersicht über das Geschehen nahm auf dem Weg nach oben, von Vorge­setztenebene zu Vorgesetztenebene, zu. Der Unternehmensleitung war es am Ende vorbehalten, wie ein Feldherr auf dem Hügel ein Gesamtbild vor sich zu haben.

In einer solchen „Organisationsmaschine“ war das meiste bereits vorgedacht und vorentschieden. Routine war gewollt, Optimierungen änderten sie gelegentlich. Entscheidungen mussten „oben“ getroffen bzw. abgesegnet werden, was einerseits Entscheidungsfreude und andererseits höchste Entscheidungsqualität von den Einzelpersonen an der Spitze verlangte. Das Organisationsprinzip sorgte dafür, dass es „oben“ systematisch Überverantwortlichkeit gab (man dachte für die Mitarbeiter gleich mit) und „unten“ eine entsprechende Unterverantwortlichkeit („man wird sich schon etwas bei diesem Unsinn gedacht haben, unser Kopf ist nicht gefragt“). Es liegt nahe, dass solche Prinzipien, wenn sie über Jahre gepflegt und belohnt werden, zu entsprechenden Haltungen und Einstellungen bei allen Beteiligten führt, zu einer Art inneren Programmierung und zu fragloser Selbstverständlichkeit.

Das „klassische“ Maschinenmodell als langjährig praktiziertes Organisationsvorbild war wirtschaftlich höchst erfolgreich. Die Einführung von Fließbändern vor allem brachte zu Beginn des 20. Jahrhunderts riesige Produktivitätsgewinne. Auch deshalb ist es kein Wunder, wenn sich entsprechende Strukturen und Denkweisen bis heute hartnäckig halten.

Das hohe Maß an Standardisierung, Rationalität, Fachkompetenz und Sicherheit im Rahmen der klassischen hierarchisch–bürokratischen Linienorganisation ist für alle Beteiligte wertvoll. Besonders deutlich wird dies, wenn im Zuge einer Reorganisation altvertraute Abläufe und Arbeitsprinzipien in Frage gestellt werden. Mitarbeiter halten im Allgemeinen wenig davon und spüren Gefühle von Irritation, Verunsicherung, oft auch Angst, selbst wenn sie vorher laut über manche Umständlichkeiten in ihrem Unternehmen und vielleicht auch über ein Übermaß an Hierarchie geklagt hatten.

Eine solche Organisation ist auf der anderen Seite nur so klug, wie es die Personen an ihrer Spitze sind. Zumindest in unruhigen Zeiten muss dies zu einer Überforderung der Unternehmensleitung führen.

Eine relativ frühe Antwort auf dieses Dilemma war die Einführung von Qualitätszirkeln und vor allem von Projektmanagement als Parallelorganisation. Vor dem Hintergrund einer gewöhnlich stark hierarchischen Tradition und aufgrund der meistens ohnehin dominierenden Linienfunktionen blieben solche Ansätze in der Praxis häufig schon in den Anfängen stecken.

„Weiche“ Faktoren wie Führung und Zusammenarbeit gewannen erst spät ihren heutigen Stellenwert. Meilensteine waren z.B. die berühmten Tavistock - Experimente in England in den 50er Jahren. Klassisch-hierarchisch geführte Arbeitsgruppen und parallel dazu selbstbestimmte Teams sollten Kohle in technisch veränderter Weise in einem Bergwerk abbauen. Das wissenschaftliche Interesse galt dabei nicht in erster Linie den wirtschaftlichen Aspekten. Es stellte sich jedoch heraus, dass die sich selbst organisierenden Teams im Vergleich deutlich effektiver waren. Nennenswerte Folgen für die Unternehmenspraxis hatte diese Erkenntnis zunächst nicht.

Viel früher schon, in den 40er Jahren, begannen in den USA gruppendynamische Experimente (Lewin, Lickert u.a.), deren Ziele vor allem im pädagogischen und sozialpsychologischen Bereich lagen. Die Ergebnisse wurden erst Jahre später in der Wirtschaft diskutiert, vor allem im Zusammenhang mit Human Relations, kooperativer Führung und allgemein mit dem Thema „Humanisierung der Arbeitswelt“.

Verstärkte Aufmerksamkeit in der Wirtschaft fanden Teamkonzepte erstmals in den 60er Jahren. Der Erfolg Japans, bekanntlich ein Land mit ausgeprägter Gruppenkultur, führte zu einer breiten und umfassenden Diskussion über Qualitätsmanagement. Deming & Juran übernahmen dabei die Idee von Qualitätszirkeln.

Die erste systematische Einführung von Gruppenarbeit in der Industrie erfolgte bei Volvo und Saab in Schweden in den 70er Jahren. Die Erfolge z.B. bei der Arbeitsproduktivität waren unbestreitbar, dennoch waren die Unternehmen im Allgemeinen noch nicht bereit, ihre Arbeitsorganisation so umfassend und radikal zu verändern.

Der Durchbruch von Teamarbeit in den Unternehmen erfolgte in den 90er Jahren. Die dramatische Strukturkrise der westlichen Welt verlangte neue Antworten. Einige davon lieferte die sog. MIT – Studie („Die zweite Revolution in der Autoindustrie“ von Womack, Jones und Roos, 1991). Begriffe wie „lean management“ und „benchmarking“ tauchten darin erstmals auf. In einer vergleichenden Untersuchung zwischen den USA, Westeuropa und Japan kam die Studie zu dem Ergebnis, dass ein Großteil des japanischen Erfolges auf deren Arbeitsorganisation zurückgeführt werden kann, die ganz wesentlich durch Gruppenarbeit geprägt ist. Opel baute daraufhin in Eisenach eine neue Fabrik „auf der grünen Wiese“, mit der MIT-Studie fast als Rezeptbuch in der Hand. Und die Fabrik stellte sich als äußerst produktiv heraus!

Spätere Konzepte wie z.B. Business Reengineering, fraktale Fabriken oder Prozessorganisation griffen den Gruppengedanken mit auf, wenn auch mit teilweise unterschiedlichem Zuschnitt. Teamarbeit hielt Einzug in den Alltag unserer Unternehmen.

 

Ein Blick in die Zukunft

Teamarbeit zählt heute zu den wesentlichen Elementen moderner Unternehmensorganisationen.

Daran wird sich auch in Zukunft kaum etwas ändern. Die formalen Organisations­strukturen dürften sich eher noch weiter verflüssigen, an die Stelle rigider Zuord­nungen und Verfahren könnten mehr und mehr aus verschiedenen Teams zusammengesetzte Netzwerke treten, die sich temporär um bestimmte Problemlagen herumgruppieren. Die Frage: „Wer ist zuständig?" könnte dann weitgehend durch die Frage abgelöst sein: „Wer kann das?" Eine solche Organisation hat natürlich nicht nur Vorteile, sondern auch viele Nachteile. Ständige Unbestimmtheit, laufende Umorientierungen und Improvisation fast als Prinzip: Das bedeutet zwar eine schnelle, aber oft nur zweitbeste Lösung. Für die beteiligten Menschen bedeutet es eine hohe emotionale Belastung. Gerade die emotionale Entlastung durch Routinen, strikte Arbeitsteilung und Verantwortungsbündelung an der Spitze waren Kennzeichen der „alten Ordnung“. Viele Menschen wünschen sie sich heute schon wieder herbei.

Die Hierarchie als übergeordnete und letztinstanzliche Kraft wird auf jeden Fall auch in Zukunft gebraucht werden. Es ist zu erwarten, dass sie vergleichsweise unauffälliger wirken wird, aber die Möglichkeit, notfalls rasch zu entscheiden und dies ohne lange Aussprache auch direktiv durchzusetzen, ist natürlich unverzichtbar

Ihren „Alleinvertretungsanspruch“ hat die Hierarchie allerdings heute schon verloren. Die Unternehmenswirklichkeit ist heute (und morgen wahrscheinlich noch mehr) gekennzeichnet durch zum Teil sehr widersprüchliche Spielregeln und Verhaltensanforderungen. Die Linie bzw. die Hierarchie funktioniert anders als Teams, und Teams mit hierarchischer Leitung arbeiten anders als Teams, die aus formal Gleichen bestehen. Netzwerke aus Teams folgen wieder anderen Gesetzen.

Die Menschen werden umlernen müssen. Nach unserer Erfahrung fällt es den meisten heute schon schwer, das Nebeneinander unterschiedlicher

Organisationsprinzipien zu verstehen und zu akzeptieren. Für die meisten ist es viel angenehmer, wenn es ein eindeutiges richtig gibt oder wenigstens einen Vorgesetzten, der im Zweifel sofort für Klarheit sorgt. Und auch dann, wenn das Nebeneinander verstanden und akzeptiert wird, müssen die unterschiedlichen Verhaltensweisen erst gekonnt werden.

 

Was kann man sich von Teamarbeit versprechen?

Teams sind unter bestimmten Voraussetzungen nachweislich leistungsstärker als das beste Teammitglied alleine bzw. als die Summe der Einzelleistungen, sofern es sich um die Bewältigung von innovativen, kreativen Aufgaben und / oder um die Lösung von neuartigen, komplexen Problemstellungen handelt. Eine oft gehörte Formel für Teamarbeit lautet 2 + 2 = 5. Die Praxis zeigt allerdings, dass mindestens genauso häufig 2 + 2 = 3 herauskommt.

 

Was ist zu tun, um die Vorteile von Teamarbeit zu realisieren?

Es ist wichtig, zunächst auf die folgenden Bedingungen zu achten:

  • Die Art der Aufgabe muss für eine Gruppe geeignet sein (innovativ und / oder komplex sowie sinnvoll unterteilbar). Andernfalls ist es besser, die Aufgabe in die Linie bzw. an den zuständigen Fachmann zu geben.
  • Die Gruppe sollte nicht mehr als höchstens 10 Mitglieder umfassen, besser nur 5 – 7, weil sonst eine Kommunikation face to face nicht mehr möglich ist und als Folge eine Differenzierung in Untergruppen wahrscheinlich wird.
  • Die Mitgliederstruktur sollte heterogen sein, und zwar im Hinblick auf die vertretenen Kompetenzen als auch auf die Persönlichkeiten. Synergien setzen Unterschiedlichkeit voraus. Die Unterschiede dürfen aber auch nicht zu groß werden, weil sich die Teammitglieder sonst nicht mehr verstehen können. Ungünstig sind außerdem zu große fachliche und intellektuelle Leistungsunterschiede im Team.
  • Das Umfeld (der Auftraggeber für das Team bzw. die direkt oder indirekt beteiligten Abteilungen und Personen) spielt für die Leistungsstärke des Teams ebenfalls eine wichtige Rolle. Hilfreich sind u.a. klare Zielvereinbarungen mit und Verhaltenserwartungen an das Team, klare Aussagen bzgl. verfügbarer Ressourcen wie Zeit und Geld sowie generell Transparenz, Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit in der Zusammenarbeit mit dem Team. Fatal, aber in der Praxis leider weit verbreitet, sind Interessenskonflikte im Umfeld, die als Machtkampf auf dem Rücken des Teams ausgetragen werden. Solche Muster und Konfliktformen werden in aller Regel über kurz oder lang in das Team importiert, ohne dass dies den Beteiligten immer klar ist. Die Konsequenzen für das Leistungsergebnis sind klar.

Wenn diese Bedingungen für erfolgreiche Teamarbeit erfüllt sind, kommt es auf die sog. Prozessgewinne und Prozessverluste an, welche der beiden Formeln (2 + 2 = 5 oder =3) Gültigkeit haben werden.

Prozessgewinne entstehen durch

  • Motivationseffekte („Wir – Gefühl“, gegenseitiges Anspornen und Ermuntern)
  • Fehlerausgleichseffekte („mehrere Augenpaare sehen mehr als eines"; dazu kommen die Perspektivenvielfalt im Team und die Verteilung von Wissen und Erfahrung).
  • Kreativitätseffekte (durch wechselseitige Anregungen und durch das hohe Motivationsniveau)
  • Lerneffekte (die Teammitglieder lernen miteinander und voneinander)
  • Gedächtnisleistungen (durch das positive und hohe Energieniveau im Team sowie durch die wechselseitigen Anregungen wachsen die individuellen Gedächtnisleistungen. Unabhängig davon ist das kollektive Gedächtnis dem Gedächtnis jedes Einzelnen weit überlegen: Was der eine vergessen hat, erinnert der andere.)

Mögliche Prozessverluste resultieren dagegen aus

  • „sozialem Faulenzen" (heimlicher oder auch offensichtlicher Rückzug Einzelner durch mangelndes Engagement und Interesse. Das Motto lautet: „Toll, ein anderer macht`s". Solche Verhaltensweisen haben die schlechte Tendenz, auch andere zu infizieren)
  • Koordinationsprobleme und Kommunikationsverluste, durch unklare Vorgaben, unzureichende Planung und / oder durch offene bzw. latente Konflikte im Team.
  • Politische Zusammenhänge und Kraftfelder, die irritieren, stören oder auch Konflikte in das Team importieren (siehe oben)
  • „Groupthink“, d.h. reduzierter Realitätssinn im Team durch ständige, wechselseitige Selbstbestätigungen („es kann nicht wahr sein, was nicht sein darf“). Das „Weltbild“ des Teams wird im Falle von „Groupthink“ außer Frage gestellt. Es treten Phänomene auf, die man aus Sekten und ähnlichen Organisationen kennt. Nach außen igelt sich die Gruppe ein oder sie tritt aggressiv auf, im Inneren werden Kritik und Widerspruch sorgfältig vermieden, um die bestehende Einmütigkeit und Harmonie nicht zu gefährden. Das Team ist dabei, kollektiv zu verblöden, fühlt sich aber gleichzeitig kompetent und überlegen.

 

Weitere Erfolgsfaktoren für die Teamarbeit

Teamarbeit ist grundsätzlich zielbezogen. Deshalb sind klare, herausfordernde, eindeutige und überprüfbare Ziele notwendig. Um den Sachfortschritt messen oder mindestens qualitativ überprüfen zu können, ist auch ein Zielcontrolling wichtig: Woran werden die Teammitglieder und Außenstehende feststellen können, dass das Ziel näher gerückt ist?

Wenn sich alle Teammitglieder mit dem gemeinsamen Ziel wirklich identifizieren, entsteht die größtmögliche Motivation. Deshalb ist es wichtig, zu Beginn der Teamarbeit sicher zu stellen, dass ein einheitliches Zielverständnis besteht. Darüber hinaus sollte so offen wie möglich thematisiert werden, was das Ziel für jeden Einzelnen bedeutet bzw. was in ihren Augen die gemeinsame Arbeit attraktiv oder unattraktiv macht.

Zur Zielverfolgung sind unterschiedliche Aufgaben und Rollen zu übernehmen. Es liegt nahe, sie entsprechend den individuellen Interessen und Fähigkeiten zuzuordnen. Die Vorstellung, im Team seien alle gleich und sollten auch dasselbe tun, ist ein gelegentlich anzutreffendes Missverständnis.

Im Laufe der gemeinsamen Arbeit werden sich die für das Team spezifischen Spielregeln und Werte herausbilden. Dieser Prozess ist wichtig, weil dadurch das Team seine unverwechselbare „Persönlichkeit“ erhält, womit sich die Mitglieder identifizieren können. Häufig stellen Teams am Anfang bereits Spielregeln für ihre Zusammenarbeit auf. Das ist nicht wertlos, weil meistens ein gewisser Disziplinierungseffekt eintritt, aber die wirklichen, d.h. im Team gelebten Spielregeln und Werte sind i.d.R. andere. Sinnvoll, manchmal sogar notwendig ist dann eine Überprüfung, ob die gelebten Regeln der Zusammenarbeit auch funktional für die Zielerreichung sind.

Ein Kennzeichen erfolgreicher Teams ist darüber hinaus die gegenseitige Unterstützung bei der Erledigung individueller Aufgaben. Dahinter steht eine Haltung, die man von guten Sportmannschaften kennt: Hat einer im Team Schwierigkeiten und macht einen Fehler, versuchen die anderen, ihn wieder auszubügeln. Alle fühlen sich verantwortlich für die Gesamtaufgabe, auch wenn jeder zunächst einmal seine eigenen Aufgaben hat.

Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Durchführung regelmäßiger Reflexionsrunden mit dem Ziel, die jüngeren Teamerfahrungen daraufhin zu untersuchen, ob die relevanten Aspekte wie Sachdiskussion und –fortschritt, Arbeitsmethodik, Zusammenarbeit, Kommunikation und individuelle Zufriedenheit in Ordnung und im Sinne des Gesamtziels funktional waren. Solche Reflexionsrunden haben eine mehrfache Bedeutung: Sie dienen der Selbstvergewisserung („sind wir noch auf der richtigen Spur?“ „Stimmen unsere Grundannahmen und Arbeitsvorstellungen noch?“ „Ist in der Gruppe noch alles O.K.?“) und sie ermöglichen gemeinsames lernen. Außerdem wird das Gruppen- (Wir-Gefühl) merklich gestärkt. Voraussetzung ist allerdings eine ehrliche und offene Kommunikation, gegenseitiger Respekt und Vertrauen, das auch die Benennung negativer Gefühle möglich macht. Sollte das nicht der Fall sein, empfiehlt es sich, genau dies zum gemeinsamen Diskussionspunkt zu machen.

Reflexionsrunden (man könnte sie auch „Mannschaftsbesprechungen“ oder „Manöverkritik“ nennen) sollten periodisch durchgeführt werden oder – eventuell in verkürzter Form - am Ende jeder regelmäßigen Teamsitzung stehen.

Engpass Streitkultur

Die wichtigste Leistungsgrenze für Teams ist nach unseren Erfahrungen die praktizierte Streitkultur. Wenn es gelingt, relevante Unterschiede in den Meinungen, Sichtweisen und Bedürfnissen der Menschen konstruktiv und in für alle akzeptable Weise zu neutralisieren bzw. aufzulösen, vielleicht sogar zugunsten einer neuen, überlegenen und zuerst noch gar nicht gesehenen Möglichkeit, wird das Team an Motivation und Leistungsstärke wachsen. Das Umgekehrte gilt natürlich dementsprechend.

Teamarbeit erfolgt, so wie beschrieben, selbst organisiert und (teil-) autonom. Im Unterschied zur klassischen „Organisationsmaschine“ gibt es kein „richtig“ von vornherein, sondern alle relevanten Fragen müssen im Rahmen der auftraggeberseitig definierten Vorgaben miteinander neu beantwortet und umgesetzt werden. Die Heterogenität der Teilnehmer eröffnet die Chance für intelligente und originelle Lösungen. Mit der Unterschiedlichkeit der Menschen wächst allerdings auch das Konfliktpotential im Team, und zwar umso mehr, je engagierter sie an die Aufgabe herangehen. Damit wird der Konflikt im Team zum notwendigen Normalfall. Wird er nicht ausgetragen oder setzt sich der Stärkste einseitig und autoritär durch, bleiben Ideen ungenutzt oder sie kommen mangels wirklicher Beteiligung der Teammitglieder gar nicht erst zustande.

Aus Angst, sich selbst zu exponieren und damit angreifbar zu machen, oder um die vermeintlich guten Beziehungen untereinander zu schonen, werden oft wichtige Wahrheiten unterdrückt. Dabei geht es z.B. um unterschiedliche Auffassungen in der Sache, um Unterschiede darüber, wer was von wem will und erwarten darf, wessen Bedürfnisse berücksichtigt werden und welche nicht, welche Einzelbeiträge regelmäßig „Vorfahrt“ genießen usw.

Eine konstruktive Streitkultur wird in der klassischen Hierarchie nicht gelernt. Dort gilt, was der Chef sagt. Im Konfliktfall hat er für eine rasche Lösung und damit für Ruhe zu sorgen. Mitarbeiter, die dem Chef regelmäßig widersprechen, haben gewöhnlich schlechte Karten für ihre weitere Entwicklung. Chefs, die in ihrem Zuständigkeitsbereich viele Konflikte zulassen, gelten als schwache Vorgesetzte.

Konstruktive Streitkultur als eine Hauptvoraussetzung für funktionierende Teamarbeit lässt sich mit dem folgenden Wertequadrat umschreiben:

 CHART 1

Ein fairer und sachgerechter Ausgleich von unterschiedlichen Positionen setzt voraus, dass die Beteiligten ihre eigene Meinung ernst nehmen und sie gleichzeitig bereit sind, die jeweils andere Meinung ernsthaft zu erforschen. Die Haltung eines Ethnologen hilft dabei, der vielleicht von dem rätselhaften Buschvolk, das er gerade studiert, nichts wirklich versteht, dies auch weiß, vieles merkwürdig oder sogar empörend findet, und dennoch neugierig zu verstehen versucht, ohne seine eigene Werteordnung gleich überstülpen zu wollen. „Ich bin ganz anderer Auffassung als Du, und ich möchte wirklich wissen, wie Du zu dieser Auffassung kommst“, so könnte eine passende Formel für konstruktive Konfliktlösung lauten.

Wenn es wechselseitig gelingt, die andere Position sachlich und auch emotional nachzuvollziehen, entsteht ein Klima von Vertrauen und Offenheit. Menschen hören z.B. meist auf, aggressiv zu sein, wenn sie das Gefühl haben, wirklich verstanden worden zu sein. Auf dieser Grundlage können dann weitere Auseinandersetzungen und Verhandlungen erfolgen, mit der Chance für eine optimale Sachlösung, hinter der alle stehen und sie unterstützen.

Hierarchisch geprägte „Haudegen“ können gewöhnlich nur die linke Seite des Wertequadrates, wobei sie leicht abrutschen auf das untere Feld („die eigene Position rücksichtslos durchsetzen“). Durchsetzungsschwache und konfliktscheue Menschen können dagegen nur die rechte Seite (und rutschen dort schnell auf das untere Feld), wobei sie sich selbst mit ihren Erfahrungen und Ideen aus dem Spiel nehmen, zum Schaden der gemeinsamen Sache.

Die oft gehörte Forderung „Bleiben Sie sachlich, Herr Kollege“, bedeutet eine Überforderung, wenn die Konfliktparteien engagiert hinter ihren Positionen stehen – was im Sinne der gemeinsamen Sache ja erwünscht ist. Emotionen sind Teil der Realität. Sie bringen Energie und Lebendigkeit ins Spiel, können aber auch verletzen und den Beziehungen schaden. Eine Grenze wird dann überschritten, wenn der andere abgewertet und persönlich verunglimpft wird.

Sind in einem Team Beziehungskonflikte chronisch geworden (z. B., weil sie in der Vergangenheit aus Angst vor möglichen Folgen ständig verleugnet und unter den Teppich gekehrt worden sind), ist mit einer konstruktiven und engagierten Sachauseinandersetzung nicht mehr zu rechnen. In diesem Fall lohnt es sich, einen externen Mediator einzuschalten, der professionell daran gehen wird, die entstandenen Blockaden aufzulösen.

 

Führung von Teams

Führung von Teams hat die primäre Aufgabe, die Selbstorganisation zu fördern und zu unterstützen. Das kann sehr bestimmt und deutlich geschehen, aber auch unauffällig und hintergründig.

Führung findet im Grunde genommen immer statt, unabhängig davon, ob es einen offiziellen Teamleiter gibt oder nicht. Nach Ablauf einer gewissen Zeit hat jede Gruppe eine soziale Struktur, und Führung ist ein prominentes

Strukturelement darin. Auf gruppendynamischem Weg klärt sich die Struktur und die Besetzung der verfügbaren Rollen auch „von alleine“. Ob auf für alle akzeptable Weise und ob funktional in Bezug auf die zu bewältigende Aufgabe sowie die Bedürfnisse der einzelnen Gruppenmitglieder, ist allerdings eine andere Frage.

Praktisch eng miteinander verwoben, aber analytisch unterscheidbar, sind folgende Ebenen der Teamarbeit:

Die Sachebene, auf der es um die inhaltliche Zielverfolgung geht und wo sich die im Team vorhandene Fachkompetenz trifft.

Die Methodenebene, auf der es um den roten Faden der Sacharbeit geht, um „tools“ beispielsweise zur Planung, Organisation, Steuerung und Controlling des Sachfortschritts.

Die Interaktionsebene, auf der es z. B. um Kommunikation, persönliche Beziehungen und um Konfliktregulierung geht

CHART 2

Alle 3 Ebenen müssen durch die Teammitglieder jeweils für sich und in ihrer Wechselwirkung „gemanagt“ werden. Auf jeder können im Laufe der gemeinsamen Arbeit Hindernisse und Wegsperren auftauchen. Aus einer gruppendynamischen Perspektive übernimmt nun immer derjenige (temporär) Führung, der der Gruppe hilft, auf ihrem Weg zum Ziel weiter zu kommen. Das kann einmal der Fachspezialist, kurz darauf der Methodiker und ein anderes Mal derjenige mit besonderen sozialen Fähigkeiten sein.

Wenn sich dieser „Staffellauf“ mit situativ wechselnder Führung von alleine ergibt, handelt es sich um ein so genanntes „reifes“ Team. Jeder, der einen (vorübergehenden) Führungsanspruch kommuniziert, weil er glaubt, der Gruppe gerade weiterhelfen zu können, und wenn er diesen Führungsanspruch von der Gruppe auch zugesprochen bekommt, führt.

Solche „reifen“ Teams finden wir in der Praxis gelegentlich, allerdings selten. Welche Rolle spielt darin der offizielle Leiter?

Er übt eine Art „Liberofunktion“ aus. Als Teamleiter hat er grundsätzlich dafür zu sorgen, dass das Team sein Ziel erreicht. Damit ist gesagt, er muss oder soll keineswegs immer aktiv sein oder gar alles selber machen. Solange die Selbstorganisation im beschriebenen Sinne funktioniert, braucht er sich als Leiter nicht einzuschalten. Allerdings muss er in besonderem Maße aufmerksam sein, um rasch intervenieren zu können, falls der Gruppenprozess aufhören sollte, „rund“ zu laufen.

Darüber hinaus übt er vielleicht noch die Funktion der Außenvertretung aus.

In einem Team, das diesen Entwicklungsstand noch nicht erreicht hat, wird er aktiver sein.

 

Teamentwicklungsstufen

Ein Team ist nicht schon deshalb eines, weil z.B. eine wichtige Führungskraft eine bestimmte Anzahl von Mitarbeitern zu einem solchen erklärt hat. Vielmehr brauchen Teams Zeit, um überhaupt eines zu werden und um ihre Leistungsfähigkeit zu entwickeln. Geduld ist notwendig, wenn die (potentiellen) Vorteile von Teamarbeit genutzt werden sollen.

Charakteristisch sind die folgenden Teamentwicklungsstufen, die beschritten werden müssen, wenn ein so genanntes Hochleistungsteam entstehen soll.

CHART 3

Die einzelnen Stufen oder Phasen lassen sich wie folgt beschreiben:

Wenn die Gruppe erstmals zusammenkommt, herrschen zunächst Gefühle von Unsicherheit, Nervosität, Spannung und Neugierde vor. Jeder versucht, in dieser Orientierungsphase einen möglichst guten Eindruck zu machen. Die Atmosphäre ist freundlich und distanziert, diplomatisch; Komplimente werden verteilt, Widerspruch ist selten.

In dieser Phase sollte der Leiter deutlich präsent sein. Er sollte seine Rolle deutlich machen, für Orientierung sorgen und dazu beitragen, dass sich Lockerheit, Vertrauen und Sympathie breit machen können.

Wenn die Gruppe mit der eigentlichen Arbeit beginnt, lassen sich Distanz und Diplomatie nicht mehr länger aufrecht erhalten. Da es gegenseitige Abhängigkeiten gibt, muss es zu ersten Konflikten kommen. Dabei geht es einerseits um die Sache, aber gleichzeitig wird offener oder verdeckter Streit über die gültigen Regeln und Werte ausbrechen, über die interne „Hackordnung“ und über die Verteilung von Kompetenzzuschreibungen, Sympathie und Einfluss. Inoffizielle Ranglisten entstehen, Koalitionen und Interessensgemeinschaften werden sichtbar.

Diese Auseinandersetzungsphase ist für die Gruppe sehr wichtig, weil sich Struktur ausbildet. Der Leiter sollte deshalb den notwendigen Konflikten Zeit und Raum geben, keinesfalls jeden auftauchenden Konflikt im Keim zu ersticken versuchen. Allerdings muss er mäßigend eingreifen, wenn Destruktivität und persönliche Angriffe überhand nehmen.

Oft ist der Leiter selbst das erste „Streitobjekt“. Das ist für die Bewältigung dieser Phase günstig, weil sein Verhalten Modellwirkung haben kann. Seine Reaktionen auf Angriffe aus der Gruppe werden sehr genau wahrgenommen werden. Zu empfehlen ist dem Leiter, den Konflikt offensiv aufzugreifen, seine eigene Position sehr bestimmt darzustellen, aber gleichzeitig zu versuchen, die andere Position zu verstehen und ernst zu nehmen. Persönliche Angriffe sollte er sofort deutlich zurückweisen.

Nach dieser Auseinandersetzungsphase folgt gewöhnlich eine Phase der Harmonie. Nach überstandenem Streit dominiert das Bedürfnis nach Ruhe und Frieden. Gleichzeitig wächst aufgrund der gemeinsam durchlebten Erfahrung das Gefühl von eigener Stärke und Kraft. Die Aufmerksamkeit geht nach außen, Feindbilder werden gesucht oder aktiviert. Umgekehrt wird Widerspruch innerhalb des Teams wenig geschätzt, weil die Streiterei nicht schon wieder losgehen und das neu entstandene Wir- Gefühl nicht beschädigt werden soll.

Der Leiter hat in dieser Wir - Phase die Aufgabe, den unterdrückten Widerspruch zu stärken, indem er selbst Kontrapunkte setzt, provoziert und differenziert, oder indem er andere im Team darin unterstützt. Wenn er diese Wir – Phase allzu stark ausleben lässt, entstehen kollektive „Verdummungstendenzen“ im Team, weil ständige Selbstbestätigung letztlich zu einem Realitätsverlust führt.

In der sich anschließenden Leistungsphase kehrt der Konflikt zurück, aber das Team hat gelernt, konstruktiv und ohne persönliche Abwertungen damit umzugehen. Die Beziehungen im Team sind belastbar geworden. Unterschiede können deshalb wahrgenommen und belassen werden. Das ist die Voraussetzung für Synergieeffekte. Das Team ist erst jetzt voll leistungsfähig.

Der Leiter sollte den Prozess der Differenzierung unterstützen, aber gleichzeitig den Zusammenhalt und die gemeinsamen Werte schützen. Im Vergleich zu den vorherigen Phasen rückt er stärker in den Hintergrund, wird zu einer Art „Libero“ im Leitungszusammenhang.

Die skizzierte Phasenfolge ist natürlich idealtypisch zu verstehen. In der Praxis tritt sie nicht zwangsläufig in genau dieser Reihenfolge auf. Gruppen versuchen häufig, Phasen zu überspringen (vor allem die Auseinandersetzungsphase), fallen aber kurz darauf wieder auf die Vorstufe zurück. Schleifenbewegungen sind üblich: von der begonnenen Auseinandersetzungsphase zurück in die unverbindliche Orientierungsphase, wieder vor in die Auseinandersetzungsphase, weil die „diplomatische Distanz" aufgrund der konkreten Zusammenarbeit nicht aufrecht erhalten werden kann. Schließlich geschieht ein wirklicher Durchbruch in die Wir- und in die Leistungsphase. Dann aber erfolgt eine wichtige personelle Veränderung oder die äußeren Rahmenbedingungen wechseln. In der Folge muss die Gruppe mühsam ein neues Gleichgewicht finden. Eventuell wird der Prozess noch einmal neu gestartet werden, wahrscheinlich weniger heftig und auch schneller als zu Beginn.

Die Aufgabe des Leiters bleibt es, sorgfältig darauf zu achten, wo die Gruppe gerade steht. Von dieser Diagnose hängt es ab, ob und wie er aktiv wird. Sein Verhalten bestimmt ganz wesentlich mit, wie produktiv und wie schnell die Stufen des Teamentwicklungsprozesses verlaufen.

 

Teams zusammenhalten

Die in einem Unternehmen zu leistende Arbeit ist wohl unbegrenzt. Das gilt besonders in Zeiten größerer Veränderungen, weil Umbauten i.d.R. „bei laufendem Motor“ vorgenommen werden. Arbeitsdichte und Arbeitsmenge nehmen dann erheblich zu. Oft stehen viele unterschiedliche Projekte sowie die normale Linienarbeit in Konkurrenz um die knappe Zeit und das Engagement der Mitarbeiter. Wie attraktiv die verschiedenen Aufgaben von ihnen jeweils empfunden werden, zeigt sich u. a. daran, wer wie pünktlich bzw. wer überhaupt wo hingeht und wie zuverlässig Arbeitspakete zwischen den Teamtreffen abgearbeitet werden. Welche Möglichkeiten haben nun Teamleiter, die Motivation ihrer Mannschaft zu erhöhen?

Ein Teamleiter ist selten gleichzeitig auch disziplinarischer Vorgesetzter seiner Leute. Er kann deshalb die klassischen Motivationsmittel wie Geld oder Karriereaussichten kaum einsetzen. Ein allgemeiner Appell an die Loyalität oder an das Pflichtgefühl der Menschen zeigt normalerweise auch wenig Wirkung.

Aber auch „richtige“ Teamvorgesetzte, die hierarchischen Druck ausüben oder mit Geld bzw. Karriere locken könnten, können ihre Leute nicht zur engagierten Mitarbeit zwingen. Ein starkes Team lebt davon, dass die Mitglieder aus innerer Überzeugung dabei sind. Ist das nicht der Fall, werden sie das Team verlassen, tatsächlich oder durch inneren Rückzug („Dienst nach Vorschrift“) Kreativität und Synergie bleiben in beiden Fällen auf der Strecke.

Ein gutes Team braucht ein gemeinsames, attraktives Zentrum, das mehr Anzie­hungskraft besitzt als alternative Möglichkeiten wie z. B. die Mitwirkung in einem anderen Team oder auch ein rechtzeitiger Feierabend. Dieses gemeinsame Zentrum sorgt für die notwendigen Bindungskräfte im Team. Folgendes kommt, für sich oder in Kombination, dafür in Frage:

  • Ziele, mit denen sich jeder identifizieren kann. Wenn alle den Sinn der gemeinsamen Arbeitsanstrengung nachvollziehen können, entsteht eine starke Motivationswirkung. Der Teamleiter sollte deshalb auf die Transparenz der Zusammenhänge achten und bei Bedarf Sinn und Bedeutung der Aufgabe thematisieren.
  • Die Gruppe: Wenn sich alle mit ihr identifizieren können, entwickelt sich ein starkes „Wir-Gefühl“. Die Menschen kommen gerne zusammen und sind stolz auf ihr Team. Diesen Effekt kann der Teamleiter durch gemeinschaftsfördernde Maßnahmen und gemeinsame Veranstaltungen unterstützen.
  • Die miteinander geteilte Professionalität und die gemeinsamen Arbeitsstandards: Die „professionelle Handschrift“ des Teams, die Ähnlichkeit des Wissens, der Vorgehensweisen und der Techniken erzeugt Stolz und Gemeinschaftsgefühl. Gerade für Gruppen, die selten zusammenkommen können, weil die meisten ständig bei Kunden oder anderswo unterwegs sind, ist dieser Effekt wichtig. Voraussetzung ist allerdings, dass die entsprechenden Standards bewusst bzw. überhaupt entwickelt sind. Es lohnt sich deshalb, wenn der Teamleiter hierfür Zeit reserviert, zur Selbstvergewisserung (was macht uns professionell eigentlich aus?) oder zur gemeinsamen professionellen Weiterentwicklung.
  • Geteilte Vorstellungen über sich selbst und die anderen, über Rollen, Regeln und Werte: Das Wissen, dass man sich im Team über diese Dinge einig ist, verbindet. Wechselseitige Bestätigungen und Bestärkungen tun gut, tragen aber die Gefahr von „Group think“ in sich, also mangelnde Differenzierung und eingeschränkter Realitätssinn. Der Teamleiter kann vor allem durch sein eigenes Verhalten dazu beitragen, dass die positiven Effekte wirksam und Grenzen zum „Group think“ nicht überschritten werden.
  • Ein- bzw. Abgrenzungen: Eine „wir sind wir“ – Mentalität, die Selbstbewusstsein ausdrückt, aber schnell zu Arroganz werden kann. Starke Rivalität mit anderen Gruppen oder generell ein „Außenfeind“ können Gruppen stark zusammenschweißen. Auch hier ist es vor allem das eigene Verhalten, das der Teamleiter zur Verfügung hat, um die positiven Effekte zu generieren bzw. zu verstärken und die negativen zu vermeiden.
  • Gemeinsame Symbole und Rituale, feste Orte und / oder Zeiten: Solche Ele­mente fördern den Zusammenhalt eines Teams, weil sie Struktur geben. Voraussetzung ist natürlich, dass sie von allen geteilt und ernst genommen werden. Der Teamleiter kann solche Strukturen anbieten oder einfach einführen. Wenn sie abgelehnt werden oder keine Wirkung zeigen, sollte er dies thematisieren.

 

Teamführung als Wächterin von Balancen

Bei der Führung von Teams geht es häufig um die Herstellung und Aufrechterhaltung von Gleichgewichten:

Das betrifft zum einen das Verhältnis aus inhaltlicher Arbeit, Verfahrens- und Beziehungsarbeit (s. Chart 2). Ein Übergewicht auf der Sachebene kann rasch zu einer unverbindlichen, akademischen und ineffektiven Diskussion führen. Ein Übergewicht auf der Methodenebene kann zu unnötigen Umwegen, Prinzipienreitereien und zu einer Entfernung von den eigentlich relevanten Themen führen. Ein Übergewicht auf der Interaktionsebene schließlich kann dazu führen, dass sich alle im Team ganz prima fühlen, das Ziel und die eigentlichen Aufgaben aber aus dem Blick geraten.

Ein weiteres Gleichgewicht betrifft das Verhältnis aus planen und handeln. Planloser Aktivismus wird selten zum Ziel führen, endloses Planen dagegen führt nicht von der Stelle.

Ein anderes Gleichgewicht betrifft das Verhältnis aus Nähe und Distanz zwischen den Menschen im Team. Wie im Zusammenhang mit den

verschiedenen Teamentwicklungsphasen besprochen, bedeutet eine zu große Distanz innerhalb der Gruppe zu wenig Zusammenhalt und damit zu wenig ehrliche und engagierte Auseinandersetzung. Das gilt vor allem für die sog. Orientierungsphase (s. Chart 3). In der sog. Wir-Phase ist dagegen die Nähe zu groß. Aus Rücksicht auf den Gruppenzusammenhalt und die mühsam erreichten Beziehungsarrangements wird notwendiger Widerspruch zurückgehalten. Die Gruppe verliert an Realitätssinn.

Schließlich ist ein Gleichgewicht aus Ordnung und Struktur auf der einen sowie Chaos und Unordnung auf der anderen Seite sinnvoll. Das mag überraschen.

Teams sind besonders gut geeignet, neuartige Lösungen zu finden, die aus unbekannten und mehr oder weniger komplexen Problemsituationen herausführen. Hierbei ist es unvermeidlich, dass vorübergehend absolutes Nicht-Wissen vorherrscht, es fehlen systematisch Überblick und Durchblick. Solche Situationen werden im Allgemeinen als sehr unangenehm erlebt. Spannung entsteht, wenn alte Gewissheiten und Kontrolle verloren gehen. Spiegelbildlich dazu wächst das Bedürfnis, mit raschen strukturellen Manövern oder mit Rückgriff auf Routinen und altbewährte Lösungen die vorübergehend verlorene Sicherheit wieder herzustellen. Der Preis dafür ist allerdings der Verzicht auf eine wirklich innovative Alternative. Durch zu rasches Strukturieren und zu schnelles Rückgreifen auf Bekanntes schwindet die Chance auf die Entdeckung von etwas wirklich Neuem. Auf der anderen Seite wird eine zu lange Zeit des Chaos, der Turbulenz und der Strukturlosigkeit zu einem ineffizienten Herumstochern in der Problemsituation führen, mit zunehmender Frustration bei allen Beteiligten.

Über den Autor

Wolfgang Reiber liebt es, die Dinge ganzheitlich zu betrachten, etwa das Zusammenspiel zwischen wirtschaftlichen, psychologischen und politischen Aspekten in Organisationen und Gesellschaft. Gemeinsam darüber nachzudenken, was ist, was sein sollte und wie es gehen könnte, mit Respekt und mit einer Prise Humor, das schätzen er und seine Kunden ganz besonders.


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