15. September 2015

Selbstakzeptanz

Sicher kennen Sie den auf den amerikanischen Theologen und Philosophen Reinhold Niebuhr zurückgehenden Spruch: Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden. Die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die man nicht ändern kann, steht hier gleich am Anfang. Und dieser Anfang, das wissen wir alle, ist schwer. Nicht selten macht es schon Mühe, das Wetter zu akzeptieren, den Stau auf der Autobahn oder ein unerwünschtes Fußballergebnis. Viel schwerer noch wird es bei Dingen, die uns immer wieder zu schaffen machen: das vom Unternehmen neu eingeführte IT Programm, das man für schlecht hält, mit dem man nun aber arbeiten soll; bürokratische Anforderungen, die man zu erfüllen hat, die man aber für sinnlos hält oder das Haus, für das man sich entschieden hat und mit dem man nun nicht glücklich ist. All dies kann an uns nagen und uns Kräfte rauben, obwohl wir doch wissen, dass wir es jedenfalls in dem Rahmen, in dem wir uns gegenwärtig befinden, nicht ändern können.

Viel schwerer kann es allerdings noch werden, Sachverhalte über sich selbst zu akzeptieren, mit denen man hadert und die das Selbstbild, das Bild, wer ich bin, wer ich sein will und sein sollte, stören oder verletzen: etwa eine körperliche Eigenschaft, die man nicht haben möchte, eine Lebensphase, z.B. den Eintritt in das Rentenalter, in der man nicht sein möchte, eine soziale Herkunft, die einem unangenehm ist, eine sexuelle Orientierung, die man für sich nicht auf die Reihe kriegt, eine Krankheit oder Behinderung, die man nicht wahrhaben möchte oder die gefühlte Unfähigkeit, bestimmte Entscheidungen und Weichenstellungen für das eigene Leben vorzunehmen, obwohl man glaubt, sie vornehmen zu müssen. Das Hadern über solche Dinge kann massiv Energie, Vitalität, Klarheit, Wohlbefinden und Lebensfreude kosten. Es kann uns das Leben zur Hölle machen.

Wir haben gelernt, dass es gut ist, auf Stärken zu achten und an ihnen zu arbeiten – Stärken von uns und Stärken von anderen. Dies ist weit effektiver, als Schwächen eliminieren zu wollen. So weit, so gut, doch hier fehlt noch etwas. Denn offensichtlich gibt es ja Eigenschaften und Sachverhalte, auch bezogen auf uns selbst, die wir nicht als Stärke, sondern als Problem erleben und die uns erheblich zu schaffen machen: immer wieder oder beständig, bewusst oder unbewusst, körperlich oder psychisch, verbunden mit Aktionismus oder Handlungsunfähigkeit, hoch emotional als Ratlosigkeit, Frust, Verzweiflung, Resignation, Ohnmacht, Wut oder scheinbar gefühllos und leer.  

Diese Eigenschaften und Sachverhalte, sofern wir sie grundsätzlich oder jedenfalls gegenwärtig nicht ändern können, gilt es zu akzeptieren. Es geht darum zu lernen, dass das – jetzt – auch zu mir gehört, ein Teil von mir ist und mich mit ausmacht: „Das ist auch, wie ich bin.“ Dieser Schritt, der eine Integration bedeutet, kann schwer und zunächst auch schmerzlich sein. Er ermöglicht uns allerdings, wieder in Einklang mit uns zu kommen und dadurch auch wieder unsere Stärken voll verfügbar zu haben.

Wesentliche Eigenschaften und Sachverhalte über sich nicht zu akzeptieren führt zu einer Blockade der eigenen Kraftentfaltung. Wir fahren gleichsam mit angezogener Handbremse durch die Welt. Das Annehmen und Integrieren dieser Eigenschaften und Sachverhalte in das eigene Selbstbild löst aber nicht nur einfach eine Bremse, so dass wir ‚normal fahren‘ können, sondern es macht uns stärker, als wir waren: indem wir zu dem stehen, was wir sind, können wir kraftvoll und kreativ nutzen, was wir in uns haben.

Was kann helfen, sich selbst, auch im Hinblick auf Sachverhalte und Eigenschaften, mit denen man sich schwer tut, stärker zu akzeptieren?

  • Vergegenwärtigen Sie sich, welche anderen Eigenschaften und Sachverhalte über sich, die Sie nicht leicht zu akzeptieren fanden, Sie im Laufe Ihres Lebens gelernt haben zu akzeptieren, und wie Ihnen das geholfen hat.
  • Beschäftigen Sie sich aktiv und ausführlich mit der Frage, was Ihnen dasjenige, mit dessen Akzeptanz Sie sich schwer tun, positiv eröffnet und ermöglicht.
  • Hinterfragen Sie Ihre Annahmen über sich selbst: was Sie glauben, wie sie sein und funktionieren sollten. Vermutlich stoßen Sie dabei unter anderem auch auf zu enge, zu unrealistische, zu einseitige Anforderungen. Die müssen Sie nicht in Bausch und Bogen verwerfen, Sie sollten sie aber sinnvoll differenzieren und spezifizieren, so dass Sie damit leben können.
  • Versuchen Sie sich selbst ein guter Freund zu sein, Empathie mit sich zu entwickeln und vor allem auch Verständnis für Ihre Endlichkeit und mangelnde Perfektion. Seien Sie gewiss, dass die Selbstempathie Ihnen helfen wird, mehr Gelassenheit aufzubringen, Dinge hinzunehmen, die Sie nicht ändern können, mehr Mut, Dinge zu ändern, die Sie ändern können und mehr Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Über den Autor

Dr. Stefan Hölscher verbindet fundierte psychologische Erfahrung mit Klarheit und humorvoller Pointierungslust. Er liebt intensive Reflexion als Grundlage für kraftvolle Impulse: als Coach und Trainer ebenso wie als Autor und kreativer Geist.


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Dr. Stefan Hölscher - Partner, Metrion Management Consulting