15. Juni 2015

Auf den Punkt gebracht - 10 Leitlinien für Prägnanz

Wer Dinge gut auf den Punkt bringen kann, hat eine größere Chance, bei anderen Aufmerksamkeit und Interesse zu finden und dadurch auch eine größere Wirkungs- und Gestaltungskraft zu entfalten. Obwohl dies kaum ein Geheimnis ist, tun sich doch viele Menschen enorm schwer damit: manche, wenn sie erst mal angefangen haben zu reden, hören gar nicht wieder damit auf und können oder wollen nicht merken, dass ihnen keiner mehr richtig zuhört; andere äußern sich so umständlich, trocken oder abstrakt, dass sie eher Verwirrung als Klarheit bei ihren Gesprächspartnern erzeugen; wieder andere wollen gleich alle möglichen Punkte, Argumente und Einwände in ihrem Beitrag vorwegnehmen und spüren nicht, dass sie damit die anderen eher verlieren als überzeugen.

Natürlich sind es viele und stark vernetzte Faktoren, die einige von uns dazu bringen, sich unprägnant zu äußern: Persönlichkeitsmerkmale, Umfeld-bedingungen, mehr oder weniger bewusste Wünsche, Ängste, Befürchtungen und sicher auch – wie so oft – bestimmte Kindheitserfahrungen. All das und manches mehr steckt hinter Kommunikationsgewohnheiten, durch die man sich zwar vielleicht mehr Redezeit als andere erobert, für die man aber gleichzeitig auch einen hohen Preis in Form von sich ausklinkenden, verwirrten, genervten Zuhörern und eingeschränkter eigener Wirkungs- und Überzeugungskraft bezahlt. Klar ist dabei: Gewohnheiten, wie immer sie zustande gekommen sind, kann man verändern, auch wenn dies sicher nicht einfach ist. Um zu deutlich mehr eigener Prägnanz zu kommen, braucht es dreierlei:

  1. Man sollte sich klar machen, wodurch Prägnanz entsteht bzw. was sie vereitelt.
  2. Man sollte sich selbstkritisch vergegenwärtigen, wo man diesbezüglich Entwicklungsbedarf hat.
  3. Die sich dabei zeigenden Handlungspunkte sollte man beherzt und konsequent angehen, um die eigene Prägnanz nachhaltig zu steigern.

 

  1. 10 Leitlinien: Wodurch entsteht Prägnanz?

Um prägnant zu kommunizieren, ist es hilfreich, folgende Dinge zu beachten und zu tun:

1)Ich überlege mir vorab, was ich sagen will. Natürlich nicht jedes Detail, wohl aber die wichtigsten Aussagen, Botschaften und Fragen, die ich ‚rüberbringen‘ möchte.

2)Ich überlege mir vorab, was der andere braucht. Wahrscheinlich nicht all das, was ich zu dem Thema schon mal gedacht, gemacht und erfahren habe. Was benötigt dieser Gesprächspartner für seine Zwecke wohl in Bezug auf dieses Thema? Und was benötigt er auch nicht? In dieser Frage steckt viel Potenzial in Hinblick darauf, wie wach, interessiert und zufrieden mein Gesprächspartner mit unserer Kommunikation sein wird.

3)Ich verfolge die Maxime: was man sagen kann, kann man klar und verständlich sagen. Je komplexer Sachverhalte werden, desto schwieri-ger ist die Umsetzung dieser Maxime. Sie zu verfolgen, lohnt sich aber immer, es sei denn, es geht um Sprachformen, die gerade von Andeutungen, Mehrdeutigkeit und auch dunkler Bildhaftigkeit leben, wie etwa Märchen, Gedichte oder andere Sprachkunstformen. Generell gilt: Klarheit schafft Orientierung für Denken und Handeln, erst recht im Zusammenspiel mit anderen.

4)Ich nutze aktive Rückkopplung, um zu erfahren, was der andere vielleicht noch benötigt. Ich mache also bei Zeiten und sicher nicht erst dann, wenn ich glaube, alles vollständig gesagt zu haben, einen Punkt und frage je nach Situation, wo der andere nun zu dem Thema steht: was bei ihm angekommen ist, was ihm klar oder unklar ist, welche Folgerungen sich für ihn ergeben etc. Abhängig von der Antwort steuere ich dann meine weitere Kommunikation.

5)Ich achte auf eine klare, dem Thema dienliche Struktur. Je nach Thema, Situation und Beteiligten wird eine geeignete Struktur natürlich unterschiedlich aussehen. Gut ist aber, eine zu haben, vor allem in argumentativen Kontexten, in denen es um Klärungen, Schlussfolgerungen und Entscheidungen geht.

6)Ich bilde überwiegend kurze Sätze. Es dürfen auch mal längere dabei sein, aber sicher nicht andauernd und sicher nicht solche, die beim Zuhörer Knoten im Kopf erzeugen oder das Gefühl, gar nicht mehr zu wissen, wovon eigentlich die Rede ist. Prägnanz lebt maßgeblich auch von Kürze.

7)Ich nutze konkrete Beispiele, Veranschaulichungen und Bilder, um Zusammenhänge zu verdeutlichen. Ein Bild sagt bekanntlich mehr als 1000 Worte. Geeignete Bilder und Veranschaulichungen erreichen uns direkter, sprechen uns emotionaler an und bleiben auch besser haften als abstrakte Redeformen. Oft ist es sinnvoll, sich schon vorab zu überlegen, welche Beispiele und Bilder man bringen könnte.

8)Ich pointiere. Pointieren heißt: ich spitze zu, mache etwas sehr oder sogar über-deutlich, nutze Kontraste, einprägsame Vergleiche, Bilder, Formeln etc. Dabei leidet immer etwas die Qualität der wohlabgewogenen Differenzierung. Dafür werden die Dinge aber signifikant konturierter, klarer und einprägsamer.

9)Ich kümmere mich aktiv um meine Energie. Je mehr ich selbst ermüdet, ausgelaugt, genervt, gestresst oder sonst wie in unguter Verfassung bin, umso mehr wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch mein Vermögen, Dinge gut und konstruktiv auf den Punkt zu bringen, leiden. D.h. umgekehrt: alles, was zu meiner Balance, meinem Wohlbefinden, meiner guten Energie beiträgt, kommt grundsätzlich auch meiner Prägnanz zugute. Es ist eine Art Voraussetzung dafür.

10)Ich achte auf die Energie meines Gesprächspartners. Wie wach, interessiert, energetisiert und involviert wirkt mein Gegenüber gerade? Um dies zu erkennen, muss ich hinschauen, meine Wahrnehmung auch für non-verbale Signale schärfen oder Rückkopplungsfragen stellen (z.B. „Was geht Ihnen gerade durch den Kopf? Was finden Sie in diesem Zusammenhang besonders wichtig?“). Je mehr mein Gesprächspartner energiearm und passiv erscheint, umso eher sollte ich auch an meiner Kommunikation etwas ändern.

  1. Selbsteinschätzung: Wie prägnant kommuniziere ich?

Um zu einer differenzierten Einschätzung Ihrer kommunikativen Prägnanz zu gelangen, gehen Sie bitte die Liste der zehn Leitlinien noch einmal durch. Fragen Sie sich, wie sehr Sie die jeweilige Leitlinie nach Ihrer eigenen realistischen Selbsteinschätzung normalerweise realisieren. Dabei geht es nicht um ganz besondere Einzelsituationen, sondern quasi um den Durchschnitt Ihres kommunikativen Handelns. Natürlich können Sie besonders auf einen für diese Frage für Sie besonders relevanten Lebensbereich, z.B. Ihre berufliche Kommunikation schauen. Gehen Sie dabei bitte von folgender Skala aus:

 

4 bedeutet: mir gelingt die Umsetzung der Leitlinie insgesamt sehr gut.

3 bedeutet: mir gelingt die Umsetzung der Leitlinie insgesamt ganz gut.

2 bedeutet: mir gelingt die Umsetzung der Leitlinie insgesamt eher schlecht als gut

1 bedeutet: mir gelingt die Umsetzung der Leitlinie insgesamt schlecht. 

 

Schreiben Sie bitte Ihre Einschätzung zu jeder Leitlinie auf und addieren Sie anschließend die Summe aller Einschätzungswerte. Wenn Sie insgesamt nur zwischen 10 und 25 Punkte haben, haben Sie vermutlich in Ihrer kommunikativen Prägnanz noch sehr deutliche Entwicklungsmöglichkeiten. Unabhängig aber von der Gesamtzahl Ihrer Einschätzungswerte, lohnt es sich, wenn Sie sich mit all denjenigen Leitlinien näher beschäftigen, bei denen Sie sich nur eine „1“ oder „2“ gegeben haben. Jede der Leitlinien beschreibt einen für Prägnanz wesentlichen Faktor. Daher kann auch eine sehr geringe Umsetzung nur einer der Leitlinien Ihre kommunikative Prägnanz bereits deutlich einschränken.

Nutzen Sie auch das Feedback von anderen, für Ihre Einschätzung und fragen Sie gezielt danach. Sicher haben Sie auch schon das eine oder andere Mal ungefragt Feedback bekommen, ob man Sie eher als jemanden wahrnimmt, der Dinge klar, verständlich, anschaulich auf den Punkt bringen kann oder als jemanden, der etwas umständlich, ausschweifend oder wenig zuhörend erlebt wird. Wie sind Sie mit solchem Feedback bisher umgegangen? Wie aufgeschlossen waren Sie dafür, wie haben Sie es für sich weiter verarbeitet?

Wenn Sie Ernst damit machen wollen, Ihre kommunikative Prägnanz und damit Ihre Wirkungskraft zu steigern, dann ist es gut, wenn Sie sich dazu systematisch Feedback holen – am besten von Menschen, mit denen Sie eine Basis von Wertschätzung und Vertrauen haben und die bereit und in der Lage sind, Ihnen ein differenziertes und konstruktives Feedback zu Ihrer Kommunikation zu geben. Dies ist gerade auch dann wichtig, wenn Sie an bestimmten Aspekten Ihres Kommunikationsstils arbeiten wollen und Rückmeldungen brauchen, inwiefern Dritte Unterschiede und Veränderungen erkennen.

 

  1. Training: Wie steigere ich meine kommunikative Prägnanz?

Wenn Sie Punkte identifiziert haben, an denen Sie arbeiten sollten, um Ihre Prägnanz zu verbessern, gehen Sie diese Punkte gezielt an. Auch dabei ist weniger mehr. Nehmen Sie sich ein oder zwei Punkte vor – nicht mehr auf einmal. Es gilt stark etablierte Gewohnheiten zu verändern, und das ist nie leicht. Falls es weitere Punkte gibt, an denen Sie arbeiten wollen, können Sie dies immer noch zu einem späteren Zeitpunkt tun; und manchmal ergeben sich Veränderungen bei solchen Punkten auch ganz wie von selbst – im Zusammenhang mit Verbesserungen bei den Punkten, an denen Sie gerade arbeiten.

Je nach identifiziertem Entwicklungsfeld können es dabei recht verschiedene Dinge sein, um die es in Ihrem Handeln geht, z.B.,

  • dass Sie sich besser vorbereiten, was Sie eigentlich sagen, fragen, zum Ausdruck bringen möchten;
  • dass Sie sich besser vergegenwärtigen, was Ihr Gesprächspartner zu einem Thema von Ihnen braucht und was nicht;
  • dass Sie sich im Gespräch mehr Rückmeldungen holen, wo Ihr Gesprächs-partner gerade steht, was ihm durch den Kopf geht etc.
  • dass Sie öfter mal einen Punkt in Ihrer Rede machen, kürzere Sätze bilden und anderen genügend Raum für deren Beiträge lassen;

Wichtig ist, dass Sie sich möglichst konkret überlegen, welches Verhalten Sie in welchen Situationen umsetzen, was Sie also wann wie tun wollen; und dann: tun Sie es auch! Trainieren Sie das Verhalten wieder und wieder. Suchen Sie möglichst viele Gelegenheiten, in denen Sie das tun können. Es wird eine ganze Weile brauchen, bis der geänderte Stil Ihnen ‚normal‘ vorkommt und ‚flott über die Lippen geht‘. Im Sport sagt man, dass es mindestens 1000 Wiederholungen braucht, bis man einen komplexen Bewegungsablauf, z.B. beim Tennis- oder Golfspielen wirklich ‚drauf hat‘. Glauben Sie bitte nicht, dass die Veränderung einer Ihrer vermutlich langjährig etablierten Kommunikationsgewohnheiten schneller geht!

Am Anfang ist damit zu rechnen, dass Sie sich durchaus unbehaglich fühlen und den Drang verspüren, so zu kommunizieren, wie Sie es in solchen Situationen bisher gemacht haben; denn dafür hatten Sie ja aus Ihrer Sicht gute Gründe, und die fallen nun nicht plötzlich wie auf Knopfdruck komplett weg, nur weil Sie sich etwas anderes vorgenommen haben. Worauf Sie allerdings setzen können, wenn die von Ihnen angegangenen Veränderungen Ihre Fähigkeit, Dinge gut auf den Punkt zu bringen, tatsächlich erhöhen, ist, dass Sie mit der Zeit deutlich mehr Aufmerksamkeit und Interesse von anderen bekommen und es im Zusammenspiel mit anderen besser ‚flutscht.‘ Und je mehr Sie das erleben, umso leichter und angenehmer wird es werden, wenn Sie sich prägnant äußern. Ich wünsche Ihnen Freude am Ausprobieren und viele gute Erfahrungen dabei!       

Über den Autor

Dr. Stefan Hölscher verbindet fundierte psychologische Erfahrung mit Klarheit und humorvoller Pointierungslust. Er liebt intensive Reflexion als Grundlage für kraftvolle Impulse: als Coach und Trainer ebenso wie als Autor und kreativer Geist.


Individuelle Beratung unter +49 69 9399677-0 oder info@metrionconsulting.de

Wer etwas zu sagen hat, sollte lernen, präsent zu sein.

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